Humanitäres Völkerrecht besteht bereits seit 75 Jahren
Die Genfer Konventionen von 1949, zentrale Bestandteile des humanitären Völkerrechts, feiern ihr 75-jähriges Bestehen.
Die Genfer Konventionen von 1949, die Eckpfeiler des humanitären Völkerrechts, bestehen seit 75 Jahren. IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric forderte aus diesem Anlass am Montag die Staaten auf, diesen «politische Priorität» einzuräumen. «In einer geteilten Welt kann das humanitäre Völkerrecht (HVR) ein Weg zum Frieden sein», erklärte die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vor den Medien in Genf. Das humanitäre Völkerrecht stehe unter Druck und werde missachtet.
Die mangelnde Durchsetzung des HVR sei problematisch, vor allem weil die Genfer Konventionen permissiv, also nachgiebig, ausgelegt würden. Dieses von allen ratifizierte Recht bleibe aber ein unübertroffenes Instrument und sei am besten geeignet, das Leiden von Zivilisten zu verhindern. In Konflikten folterten Akteure oder nähmen Spitäler ins Visier und verstiessen damit gegen die Genfer Konventionen, sagte die IKRK-Präsidentin. In diesen Fällen breche die Menschlichkeit zusammen.
Spoljaric: «Mehr zu tun für die Bevölkerung»
Spoljaric forderte die Parteien im Nahen Osten auf, «mehr zu tun für die Bevölkerung». Das IKRK setze seine Bemühung vor Ort fort und spreche mit allen Konfliktbeteiligten. Seit Oktober 2023 habe es die Freilassung von über 100 Geiseln der Hamas ermöglicht.
Doch Israel und die Hamas müssten sich über die Modalitäten einigen. Das IKRK müsse zudem wieder Zugang zu palästinensischen Gefangenen erhalten. Die IKRK-Präsidentin äusserte sich auch zur Lage im Sudan. Die Konfliktparteien, die ab Mittwoch in Genf verhandeln, sollten «am Tisch bleiben», bis ein Weg gefunden sei, um den «humanitären Handlungsspielraum» zu vergrössern.
Seit April 2023 seien Zehntausende Menschen getötet worden, mehr als zehn Millionen Menschen seien geflohen. Es herrsche eine Hungersnot, vor allem in Darfur. In der Region um El-Fasher gebe es immer noch heftige Auseinandersetzungen.
Schwierige finanzielle Lage des IKRK
Spoljaric erinnerte auch an die schwierige finanzielle Lage des IKRK. Die meisten Einsätze seien unterfinanziert, darunter alle in Afrika oder auch die in Syrien oder Afghanistan. Aber man bleibe in über 100 Konflikten präsent und führe auch Dialoge mit über 250 nichtstaatlichen Gruppen. Die IKRK-Präsidentin schloss weitere Budgetkürzungen bis Ende 2025 nicht aus.
Am 12. August 1949 wurden die vier Genfer Konventionen verabschiedet. Die Genfer Konventionen gehen auf den Genfer Henry Dunant (1828–1910) zurück. Er war 1859 so erschüttert vom Elend verwundeter Soldaten auf dem Schlachtfeld von Solferino in Italien, dass er neutrale Hilfsgesellschaften zur Versorgung verwundeter Soldaten vorschlug. Daraus entstand 1863 die Rotkreuz-Bewegung.
Zudem einigten sich 1864 Regierungsvertreter auf das erste Genfer Abkommen über den Schutz von Verwundeten und die Neutralität des Sanitätspersonals. Dieser Grundstein des humanitären Völkerrechts wurde 1949 bei einer diplomatischen Konferenz mit knapp 20 Staaten ergänzt. Inzwischen haben 196 Länder die Genfer Konventionen ratifiziert.