«LGBT-Bücherverbot in den USA ein riesiger Skandal!»
Für die LGBT-Community wird es immer schwieriger. Die Wahl von Donald Trump macht es nicht gerade einfacher. Eine Kolumne von Verena Brunschweiger.
Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger schreibt auf Nau.ch Kolumnen.
- Diesmal schreibt Brunschweiger über die Rechte der LGBT-Community.
Während Donald Trump nach Lust und Laune öffentlich Einwanderer, Behinderte und Frauen beleidigen darf, ohne von der Bühne geholt oder anderweitig belangt zu werden, haben es progressive Leute ungemein schwerer, überhaupt gehört zu werden.
Bücher mit LGBT-Inhalten verbannt
So gab es 2023/2024 in den USA über 4500 Fälle von Bücherverboten an öffentlichen Schulen. Im Jahr davor waren es laut «PEN Americas» nationaler Meinungsfreiheitsgruppe «nur» 1406. Den traurigen ersten Platz besetzt Florida, ein traditionell konservativer Bundesstaat, gefolgt von Iowa.
Was für entsetzliche Machwerke sind das, die da als dermassen gefährlich erachtet werden, dass sie aus Schulen entfernt werden? 39 Prozent davon beinhalteten LGBT-Charaktere, 44 Prozent PoC-Figuren (People of Color).
Rechte von Homosexuellen eingeschränkt
In einem Land, das angeblich für Meinungsfreiheit steht wie kein anderes, ist das ein Skandal ohnegleichen. Es verwundert nicht, dass «besorgte Eltern» ihre Kinder «schützen» wollen vor «schädlicher Beeinflussung» durch «links-grünes Pack». Eine Erzählung, die auch im deutschsprachigen Raum nicht neu ist.
Wer glaubt, dass so etwas nur in einem Land passieren könne, das einen rassistischen Sexisten zum Präsidenten wählt, liegt falsch. Auch in Europa erstarken die Kräfte, die offen fordern, Rechte Homosexueller wieder zurückzunehmen.
Italien: Elternteil-Status entzogen
In Italien führt Staatschefin Giorgia Meloni einen bemerkenswerten Feldzug gegen die LGBT-Community ein. Obwohl im Land viele Demonstrationen für mehr Diversität stattfinden, bemüht sich Meloni mit Verve, ihr Bild von der klassischen katholischen Familie gegen jegliche Widerstände durchzudrücken.
So werden beispielsweise Geburtsurkunden von Kindern, die in Familien mit zwei gleichgeschlechtlichen Eltern geboren wurden, mit dem Ziel angefochten, nur den leiblichen Elternteil anzuerkennen.
Dem Partner/der Partnerin wird der Elternteil-Status entzogen. Bei einer Regierungschefin, die Abtreibung am liebsten ab Tag der Empfängnis verbieten würde, überrascht es natürlich nicht, dass Familie für sie aus Vater, Mutter und möglichst vielen italienischen Kindern besteht.
Auch im deutschsprachigen Raum sind die Kräfte, welche die Rechte von LGBT-Menschen aktiv beschneiden wollen, rührig wie selten zuvor.
Bayern: Gendern verboten
So darf zum Beispiel an bayerischen Schulen seit dem 1. April (kein Aprilscherz!) nicht mehr gegendert werden. Eine populistische Massnahme, die Ministerpräsident Markus Söder durchsetzte, als er mitbekam, dass eine konservative Mehrheit in der Bevölkerung diese befürworten würde.
Hoffnung dank Zürich
Vor allem Beamte sollen «vorbildlich» vorangehen und auf geschlechtergerechte Sprache verzichten. Zürich stimmte jedoch jüngst progressiv ab. Es gibt also auch Hoffnung.
Das Gender-Verbot ist fatal, denn es macht bestimmte gesellschaftliche Gruppen unsichtbar und ignoriert deren Identität. Das betrifft vor allem non-binäre und trans-Menschen, die in der Sprache nicht mehr repräsentiert werden.
Gerade Schulen sollten aber Orte sein, an denen wir Vielfalt abbilden und junge Menschen dazu ermutigen, sich selbst und andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Reaktionäre Verbote dieser Art sind Ausdruck des Rechtsrucks, des antifeministischen Backlashs.
Verhältnisse wie in Ungarn oder Russland drohen
Ja, so die Ansicht der Regierenden: Wir wollen Verhältnisse wie in Ungarn oder Russland, wo es Männer und Frauen gibt. Diesen Firlefanz von wegen mehrerer Geschlechter, den uns die Grünen eingebrockt haben, wollen wir jetzt endlich wieder loswerden. Bevor noch mehr einheimische Kinder auf die Idee kommen, diesen angeblichen Trend mitzumachen. Wäre das nicht das Schlimmste unter der Sonne, ein Trans-Kind? Oder ein homosexuelles Kind?
Selbstmord-Risiko der Jugendlichen steigt
Nein, werte Konservative, das Schlimmste in diesem Zusammenhang ist, dass Jugendliche, die sexuellen Minderheiten angehören, ein deutlich erhöhtes Selbstmord-Risiko haben!
Vor allem in progressiven Ländern wie Kanada, wo auch diese Studie durchgeführt wurde, wird diese Tatsache erkannt und man versucht, die dort zweithäufigste Todesursache bei Menschen zwischen 15 und 24 zu bekämpfen.
Mehr Angebote für Trans-Jugendliche
Und zwar, indem man mehr Angebote für Trans-Jugendliche finanziert und LGBT-Teenagern psychosozial unter die Arme greift. Statt sie sprachlich auszulöschen, wie das im repressiven Bayern geschieht. Und das trotz eines Aufschreis queerer Gruppen, offener Briefe von Lehrenden an Schulen und Universitäten, Petitionen und so weiter.
Denn: Im rigorosen Durchsetzen radikaler Massnahmen sind die Konservativen unschlagbar. Was sind schon ein paar Trans-Jugendliche, die sich umbringen, für uns wichtig sind die «normalen», die Heteros! Diese Haltung ist an Menschenfeindlichkeit nicht zu überbieten!
Wenn es so weitergeht, ist nach dem Gender-Verbot auch in Europa der nächste Schritt das Bücherverbot. Und man wird beispielsweise Werke mit lesbischen oder schwulen Charakteren nicht mehr lesen dürfen.
Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.