«Ich bin kein Monster» - Knox versucht den Befreiungsschlag

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Italien,

Amanda Knox polarisiert noch immer. In Italien hat sie nach einem sensationellen Mordfall zwei Schuld- und zwei Freisprüche hinter sich. Nun kehrt die US-Amerikanerin zurück. Warum tut sie sich das an?

Immer wieder kämpft Amanda Knox bei dem Kongress zu Justizirrtümern mit den Tränen. Foto: Antonio Calanni/AP
Immer wieder kämpft Amanda Knox bei dem Kongress zu Justizirrtümern mit den Tränen. Foto: Antonio Calanni/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Amanda Knox atmet tief durch.

Immer wieder. Tränen sammeln sich in ihren Augen, sie legt die Stirn in Falten, spitzt die Lippen. Dutzende Kameras dokumentieren jede Regung bei ihrem ersten Auftritt in Italien, wo Knox jahrelang im Mittelpunkt eines Justizdramas stand.

Zweimal wurde die heute 31-Jährige des Mordes schuldig gesprochen - und zweimal freigesprochen. Letzteres hat nichts am öffentlichen Interesse an ihrer Person geändert - auch Jahre später nicht. «Ich bleibe eine kontroverse Figur», sagt Knox am Samstag in Modena selbst. Sie werde immer mit der Tragödie, mit dem Mord an ihrer Freundin verbunden sein.

Am 2. November 2007 war in Perugia die Leiche der britischen Austauschstudentin Meredeth Kercher - Knox' damaliger Mitbewohnerin - gefunden worden. Zugedeckt mit einer Decke, halbnackt und mit durchschnittener Kehle. Wenige Tage nach dem Mord nahmen die Ermittler die damals 20-jährige Knox ins Visier. In den Medien wurde die Beschuldigte zum Mittelpunkt der Schlagzeilen und als «Engel mit den Eisaugen» berühmt. Ihr wurde der Prozess gemacht, vor Gericht und in den Medien.

Um den medialen Prozess sollte es auch beim Strafjustiz-Festival in Modena gehen, zu dem ohne Knox' Anwesenheit wohl deutlich weniger Gäste gekommen wären. Im gut gefüllten Saal hat Knox die Möglichkeit, ihre Version der Ereignisse zu erzählen - als freie Frau. «Ich habe tausendmal gesagt, dass ich es nicht war. (...) Es missfällt mir, dass ich es immer wiederholen muss, denn das bedeutet, dass meine Antwort jedes Mal, wenn ich gefragt werde, nicht zählt.»

In Modena ist Amanda Knox der traurige Star. Doch dass sie als Justizopfer eingeladen wurde, ist nicht ohne Kritik geblieben. Der Anwalt der Familie Kercher hatte Knox' Teilnahme an dem Kongress zuvor als «unangemessen» bezeichnet.

«Wir haben Amanda eingeladen, weil wir glauben, dass sie die Ikone, also das Symbol des massenmedialen Prozesses ist», sagt dagegen die Anwältin Elena Lenzini vom Organisationskomitee. Knox' Geschichte könne veranschaulichen, welche Probleme ein medienwirksamer Prozess mit sich bringen kann. Wie er das Leben der Betroffenen im positiven wie im negativen Sinn beeinflussen könne.

Knox ist vor dem Publikum sichtlich nervös und aufgewühlt. Ihre Stimme wird immer wieder brüchig, sie schnupft sich mehrfach die Nase. Sucht Halt im Publikum, wo ihre Mutter und ihr Verlobter Christopher Robinson sitzen. Sie hatte sich auf ein feindseliges Publikum eingestellt - doch in Modena bekommt sie Beifall. Bei kritischen Fragen im Anschluss an ihre rund 45-minütige Rede gibt es Zwischenrufe.

Noch immer habe sie Angst, belästigt und verhöhnt zu werden, auch «heute, jetzt». Im Vorfeld ihrer Reise hätten viele gemeint, sie sei verrückt, nach Italien zurückzukehren. «Mir wurde gesagt, dass es nicht sicher ist, dass ich auf den Strassen angegriffen werde, dass ich irrtümlich beschuldigt und wieder ins Gefängnis geschickt werde.» Gekommen sei sie, weil sie eingeladen worden sei. Damit habe sie nicht gerechnet. Gezahlt worden sei ihr dafür nichts.

Bis heute lässt der Mordfall Raum für Interpretationen - denn vollständig aufgeklärt wurde er nie. Der einzig rechtskräftige Verurteilte ist Rudy Guede. Er sitzt wegen Beihilfe zum Mord im Gefängnis. Wer noch dabei war, ist unklar. Es wurden Bücher über den Fall geschrieben und ein Film gedreht. In einer Netflix-Dokumentation kommen viele Schlüsselfiguren des Falls zu Wort, ein Journalist, der Staatsanwalt, Knox. Doch auch die Doku wurde trotz des endgültigen Freispruchs 2015 mit der Frage beworben, ob Knox nun das «Monster» oder das «Opfer» in der Geschichte war.

Knox sagt, die Realität sei umgeschrieben worden. «Ich war unschuldig. Aber der Rest der Welt hatte entschieden, dass ich schuldig war.» Ihre Kritik richtet sich gegen sensationslustige Journalisten, aber auch gegen die Ermittler.

Es sei eine Geschichte kreiert worden und eine Version ihrer selbst, die zu dieser Geschichte passte. Ungehemmt hätten die Medien spekuliert, Schlagzeilen mit mutmasslichen «Orgien» gemacht, ihr «normales» Intimleben verdreht und daraus Profit geschlagen. In der Erzählung sei sie eine «psychopathische, dreckige, unter Drogen stehende Hure» gewesen. «Es war eine falsche Geschichte», sagt Knox. «Ich bin kein Monster, ich bin einfach nur Amanda.»

Schon bei ihrer Ankunft in Mailand am Donnerstag war Knox von Journalisten belagert worden. So geht es in Modena weiter. Fotografen halten fest, wie sie Aperol Spritz im Plastikbecher trinkt und mit ihrem Freund im Zuschauerraum Händchen hält. Als Knox mit einem Bodyguard von der Bühne geht, setzt sich die Reporterschar wieder in Bewegung. Die Journalisten laufen aus dem schmucklosen Kongresszentrum in die Sommerhitze, doch Knox ist nicht zu sehen. Ein Reporter sagt: «Amanda ist nicht zu fassen.»

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