Groko will Glyphosat-Aus Ende 2023 und neues Tierwohl-Logo
Ohne Bienen und andere Insekten läuft in der Landwirtschaft wenig. Aber viel, was Bauern auf Feldern versprühen, schadet den Nützlingen. Die Regierung will gegensteuern - und beschliesst ein ganzes Paket für eine schonendere Landwirtschaft.
Das Wichtigste in Kürze
- Glyphosat-Ausstieg, mehr Schutz für Insekten und ein neues Tierwohl-Kennzeichen im Supermarkt: Die Landwirtschaft in Deutschland soll umweltfreundlicher werden.
Das Bundeskabinett beschloss dafür am Mittwoch ein Paket von Regelungen, das ein Verbot des besonders umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat Ende 2023 vorsieht. Für Verbraucher soll ein neues Logo kommen, das Schweinefleisch aus besserer Tierhaltung kennzeichnet - wenn die Bauern freiwillig mitmachen. Aus den wichtigen EU-Agrarzahlungen an die Höfe soll mehr Geld für Umweltmassnahmen reserviert werden.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einem «starken und wirksamen Aktionsprogramm» gegen das dramatische Insektensterben. «Wir wollen fördern, was Insekten nützt, und vermeiden, was Insekten schadet.» Dafür soll der Einsatz von Unkraut- und Schädlingsgiften insgesamt stark eingeschränkt und in Naturschutzgebieten und anderen Schutzzonen ab 2021 weitgehend verboten werden.
Sowohl um den Insektenschutz und Glyphosat als auch um das Tierwohl-Label hatte es einen zähen Streit in der Koalition gegeben. Mit den Beschlüssen vom Mittwoch ist dieser noch nicht beigelegt: Nun müssen weitere Gesetze und Verordnungen sie noch verbindlich machen, darüber muss das Parlament entscheiden. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) sagte, Pflanzenschutzmittel würden zur Sicherung der Ernten gebraucht, es gehe aber um einen zielgenauen Einsatz.
Für Glyphosat läuft die EU-Genehmigung samt Übergangsfrist Ende 2023 aus; dass sie erneut verlängert wird, gilt als unwahrscheinlich. Ab 2020 soll bereits mit einer «systematischen Minderungsstrategie» die Anwendung «deutlich» eingeschränkt werden. Geplant sind etwa Verbote für Haus- und Kleingärten, öffentliche Flächen wie Parks, sowie Einschränkungen für Bauern, darunter ein Verbot der Anwendung vor der Ernte. Das soll drei Viertel der Einsatzmenge vermeiden.
Glyphosat tötet Unkraut und andere Pflanzen ab, weshalb Naturschützer es als schädlich für die ökologische Vielfalt kritisieren. Zudem schätzte es die Internationale Agentur für Krebsforschung als wahrscheinlich krebserregend ein, Zulassungsbehörden grosser Agrarstaaten sahen hingegen keine Gefahren.
Für das staatliche Tierwohl-Logo beschloss das Kabinett einen Gesetzentwurf, der erst mal nur die Rahmenbedingungen regelt. Bauern können es demnach freiwillig nutzen, müssen dann aber verbindliche Kriterien wie mehr Platz im Stall einhalten. Geplant sind drei Stufen mit jeweils steigenden Anforderungen, die klar über den gesetzlichen Anforderungen liegen. Vorgesehen sind regelmässige Kontrollen und bei Verstössen Sanktionen bis hin zu Gefängnisstrafen.
Klöckner sprach von einem Angebot an Tierhalter und Verbraucher, die mehr Klarheit bekämen. Dies sei eine Chance, mehr für das Tierwohl zu tun und das EU-Recht im Blick zu behalten. Ein nationaler Alleingang wäre - wie bei der geplatzten Pkw-Maut - wenig erfolgversprechend.
Von der SPD im Bundestag kam indes umgehend Kritik: «Ohne eine Verpflichtung wird es kein Label geben», sagte Fraktionsvize Matthias Miersch der dpa. Die SPD werde die «ausschliesslich auf Freiwilligkeit basierende Hochglanzpolitik» Klöckners nicht mitmachen.
Auch bei der EU-Agrarförderung soll mehr Geld von den Direktzahlungen an die Höfe in den Naturschutz umgeschichtet werden - und zwar im kommenden Jahr sechs Prozent statt der bisherigen 4,5 Prozent. Damit stünden 75 Millionen Euro mehr für den Umweltschutz bereit, sagte Klöckner - wenn Landwirte dies nützten, könnten 90 Prozent der umgelenkten Mittel wieder zu ihnen fliessen.
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Umschichtung als zu gering, der BUND begrüsste sie als «ersten Schritt». Bauernpräsident Joachim Rukwied lehnte das Gesamtpaket als «für die Landwirte toxisch» ab. Es sei «im Grundsatz eine agrarpolitische Fehlentscheidung», wenn über das geltende Fachrecht hinaus Auflagen die Landwirtschaft belasteten und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit deutlich schwächten, sagte er mit Blick auf das geplante Verbot von Herbiziden in vielen Arten von Schutzgebieten.