Interrail-Bschiss: Touris fahren mit ungültigem Ticket durch Europa
Vermeintlich zu lasche Kontrollen verleiten junge Interrail-Reisende zum «Bschisse». Nun sollen abgelaufene Tickets in der App besser gekennzeichnet werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Zugpersonal kontrolliert die Interrail-Tickets lasch. Das ermöglicht Betrug.
- Vielerorts werden die Billetts nur mit Anschauen kontrolliert, anstatt sie zu scannen.
- Das verleitet zu Bschiss: Einige Touris reisen mit einem abgelaufenen Ticket durch Europa.
- Nun wird die Interrail-App nachgerüstet.
Umgerechnet rund 230 Franken zahlen Jugendliche bis 27 für den Global-Pass von Interrail. An fünf Reisetagen innerhalb eines Monats können sie damit in 33 europäischen Ländern jeden beliebigen Zug nehmen. Ab und ab wird eine zusätzliche Gebühr für eine Sitzplatzreservierung fällig.
Doch das Geld könnte man sich theoretisch auch sparen. Zumindest, wenn man keine ehrliche Haut ist.
Nau.ch weiss: Die beliebten Interrail-Billetts sind nämlich anfällig für Betrug und Missbrauch. Grund dafür sind zu lasche Kontrollen in den Zügen.
Zugpersonal scannt Billetts nicht
Zahlreiche Reisende berichten, das Zugpersonal bemühe sich oft erst gar nicht, den QR-Code in der Interrail-App zu scannen. Und wenn doch, ploppt auf dem Display der Kondukteurin oder des Kondukteurs häufig eine rote Anzeige auf. Heisst: Das Ticket wurde offenbar nicht erkannt.
Doch das Zugpersonal lächelt in diesen Fällen die Fehlermeldung einfach weg, lässt die Reisenden weiterfahren und wünscht eine gute Fahrt.
Nau.ch weiss von einem skandinavischen Zugpassagier, der es nach diesen Erfahrungen drauf ankommen liess. Und mit abgelaufenem Ticket weiter durch Europa fuhr – ohne, dass der Betrug vom Personal erkannt worden wäre.
Warum werden die Billetts nur halbherzig kontrolliert? Verantwortlich für den Vertrieb der Interrail-Pässe und die Koordination der Eisenbahnunternehmen ist Eurail.
Auf Anfrage von Nau.ch bestätigt eine Sprecherin, dass eine visuelle Kontrolle des Tickets grundsätzlich ausreiche. «Nicht alle Beförderer sind mit Geräten zur Fahrscheinkontrolle ausgestattet, die QR-Codes lesen können.»
Scannen ist sicherer als visuelle Kontrolle
Doch genau hier liegt eine Gefahr für potenziellen Missbrauch. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) bestätigen gegenüber Nau.ch indirekt, dass das Missbrauchsrisiko bei einer visuellen Kontrolle höher sei.
Die ÖBB schreibt: «Das Missbrauchsrisiko bei digitalen Tickets und digitaler Kontrolle ist geringer. Als zum Beispiel jenes von reiner Sichtvalidierung bei Tickets auf Sicherheitspapier.» Dies dank des Grundsatzes der höheren Datensicherheit.
«Die ÖBB scannt täglich rund 2500 Interrail/Eurail-Tickets», versichert das Unternehmen. Deren Kontrollgeräte seien dafür ausgerüstet. Und die ÖBB präzisiert: Auf den Tickets gibt es keinen QR-Code, sondern einen Aztec-Barcode.
Auf diesem können im Gegensatz zu QR mehr Informationen gespeichert werden.
Missbrauch soll sich aber nicht lohnen. Bei einer negativen Kontrolle fordert die ÖBB das Fahrgeld ein. Und: «In bewiesenermassen bewussten Missbrauchsfällen kann es bis zur Strafanzeige kommen.»
Auch die SBB beteuert gegenüber Nau.ch, zum Scanner zu greifen. «Bei der SBB werden die Interrail-Billette gescannt, bei Interrail-Billetten in Papierform wird zusätzlich ein Ausweis verlangt.»
Und die SBB klärt über die vermeintlichen Fehleranzeigen in Rot auf: «Wenn beim Scannen ein orange-rotes Licht erscheint, bedeutet dies, dass eine zusätzliche Überprüfung nötig ist.»
Abgelaufene Billetts bei Interrail nun deutlicher gekennzeichnet
Die Bahnunternehmen geben nicht preis, zu wie vielen Missbrauchsfällen es bei Interrail-Billetts kommt.
Und die Deutsche Bahn (DB) stellt angebliche Probleme in Abrede: «Das beschriebene Phänomen bei der Ticketkontrolle können wir nicht nachvollziehen.» Der DB liegen keine Informationen zu einer missbräuchlichen Nutzung von Interrail-Tickets vor.
Eurail selbst lässt hingegen in ihrer Antwort an Nau.ch aber durchblicken, dass man sich dem Risiko bewusst ist. Das Unternehmen rüstet nun nämlich auf!
Man arbeite laufend an Verbesserungen der Interrail-App, die auch Verbesserungen am Billett mit dem scanbaren Code beinhalten. «Abgelaufene Tickets und Pässe sind beispielsweise deutlich sichtbar als ‹abgelaufen› gekennzeichnet.»
Zudem stehe man mit den Beförderungsunternehmen in Kontakt, um eine angemessene Schulung aller Fahrkartenkontrolleurinnen und -kontrolleure zu gewährleisten.