Die Zahl der Corona-Infektionen beim Fleischkonzern Tönnies in Rheda-Wiedenbrück ist auf mehr als tausend gestiegen.
Demonstration am Werksgelände von Tönnies
Demonstration am Werksgelände von Tönnies - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Lauterbach fordert Ausgangsbeschränkungen im Kreis Gütersloh.
Ad

Von 3127 Befunden seien 1029 positiv, sagte der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), am Samstag auf einer Pressekonferenz. Adenauer will einen Lockdown verhindern - genau den fordert hingegen der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Der Chef des Fleischkonzerns, Clemens Tönnies, entschuldigte sich für die Vorkommnisse.

Mitarbeiter der Kreisverwaltung und des Arbeitsschutzes seien in der Nacht zum Samstag bei Tönnies gewesen und hätten sich Zugang zu den Personaldaten verschafft, berichtete Adenauer. Das Unternehmen habe es «bis gestern um Mitternacht nicht geschafft», den Behörden sämtliche Wohnadressen der bei Tönnies Beschäftigten auszuhändigen, kritisierte er. Seit 01.30 Uhr lägen diese nun endlich vor.

Tönnies, der am Nachmittag überraschend selbst vor die Presse trat, machte Datenschutzrichtlinien für die Verzögerungen verantwortlich. Die Adressen dürften nicht gespeichert werden, betonte er. Tönnies fügte hinzu: «Ich kann als Unternehmer und als jemand, dem es in erster Linie um die Menschen geht, nur in aller Form um Entschuldigung bitten». Das Unternehmen stehe in «voller Verantwortung».

Insgesamt handelte es sich laut Adenauer um rund 1300 Wohnadressen im Kreis Gütersloh. Diese würden nun allesamt von «mobilen Teams» besucht. Diese nähmen Abstriche und informierten die Menschen über die verhängte Quarantäne, die für alle Tönnies-Beschäftigten bis hinauf zum Management gilt. Adenauer betonte, es gebe bislang «keinen signifikanten Eintrag» des Virus in die allgemeine Bevölkerung.

Der Landrat bezeichnete es als «oberste Priorität», eine Ausgangssperre in der Region zu verhindern. Einen solchen Lockdown hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nicht ausgeschlossen. Es gebe noch die Chance, dies zu verhindern, sagte der Landrat.

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach dagegen hält einen Lockdown für unbedingt notwendig. «Bund und Länder haben Kontakt- und Ausgehbeschränkungen für den Fall von mehr als 50 Neuinfektionen pro Woche bei 100.000 Einwohnern vereinbart. Wann soll diese Regelung zur Anwendung kommen wenn nicht jetzt im Landkreis Gütersloh?», sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

«Ich halte die Situation für brandgefährlich; die Eindämmung des Virus wird verschleppt», warnte Lauterbach. «Es muss in dem Betrieb erhebliche Verstösse gegen Hygieneregelungen gegeben haben. Andernfalls wäre ein Ausbruch in dieser Grössenordnung undenkbar», sagte der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete.

Die Fleischfabrik ist derzeit für 14 Tage geschlossen; bestimmten Mitarbeitern ist es aber noch erlaubt, in sogenannter Arbeitsquarantäne bestimmte Tätigkeiten auszuführen. «Der Betrieb müsste stillstehen, bis akzeptable Hygienebedingungen herrschen», forderte dagegen Lauterbach. Bei Tönnies arbeiten rund 7000 Menschen.

Einem Bericht zufolge könnte ein Gottesdienst ein Ausgangspunkt für den schweren Corona-Ausbruch gewesen sein. Dieser habe am 17. Mai stattgefunden, berichtete das Nachrichtenportal «t-online.de» am Samstag. Der Gottesdienst habe «das erste grössere Infektionsgeschehen bei Tönnies mitausgelöst».

Der Konzern habe mitgeteilt, dass zwei Mitarbeiter nach eigenen Angaben «bei einem Kirchenbesuch Kontakt zu im Nachgang positiv getesteten Personen hatten», berichtete «t-online.de» Auch der Landkreis erklärte demnach, einzelne Infektionen seien «auf Kontakte in einer Kirche zurückzuführen».

NRW-Ministerpräsident Laschet hatte am Mittwoch auf die ausländischen Mitarbeiter bei Tönnies als Ursprung der Infektionen verwiesen. Auf die Frage einer Journalistin, was der Corona-Ausbruch über die Lockerung der Corona-Auflagen aussage, antwortete er: «Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

SPD