Ischgl will in diesem Winter an Vor-Corona-Niveau anschliessen
Das Wichtigste in Kürze
- Der Skiort Ischgl spielte eine grosse Rolle bei der Verbreitung von Corona in Europa.
- Nun möchte die Tourismusregion wieder an die Erfolge vor der Pandemie anschliessen.
- Der Tourismusverband hofft auf «ein einstelliges Minus».
Der beim Anfang der Coronapandemie als Seuchenherd in die Schlagzeilen geratene österreichische Skiort Ischgl will sich in diesem Winter wieder dem Vor-Coronaniveau von 2019 annähern. Damals hatte es im ganzen Tourismusgebiet Paznaun-Ischgl 2,3 Millionen Übernachtungen gegeben.
«Wenn es ein einstelliges Minus wird, wäre es für die gesamte Region ein Erfolg», sagt der neue Geschäftsführer des Tourismusverbandes Paznaun-Ischgl, Thomas Köhle, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP: «Dann haben alle ganz viel richtig gemacht.» Mit einer Steigerung gegenüber 2019 rechne aber keiner.
In der vergangenen Wintersaison habe das Paznaun-Tal mit dem wichtigsten Touristenort Ischgl 1,7 Millionen Übernachtungen verbucht. Das sei ein Rückgang von knapp einem Viertel gegenüber dem Vor-Coronajahr 2019, sagte Köhle. In Ischgl alleine seien 1 Million Übernachtungen verbucht worden. «Normalerweise haben wir 1,4 Millionen.»
Waren Sie schon mal in Ischgl?
Einen Strich durch die Rechnung gemacht habe der Lockdown, der bis Mitte Dezember dauerte, sagte Köhle. Dadurch sei der Saisonstart ins Wasser gefallen und drei Wochen Skibetrieb hätten gefehlt. Nach dem Lockdown sei die Wintersaison sehr gut angelaufen und habe fulminant geendet.
Viele seien zudem von den Coronarestriktionen abgeschreckt worden, die in Österreich viel strenger waren als im mit Ischgl zusammenhängenden Bündner Skigebiet Samnaun. Während in Ischgl 2G-Pflicht herrschte, konnte man in Samnaun mit 3G-Zertifikat in einem kleinen Teil des Gebiets Ski fahren. Vor allem die Schweizer hätten gefehlt: Deren Übernachtungszahlen seien um 60 Prozent eingebrochen.
«Anfangs hat es nicht gut ausgesehen. Der Rest der Saison war dann wie früher. Am Ende sind wir mit einem blauen Auge davongekommen», sagt der neue Geschäftsführer des Tourismusverbandes, der seit rund drei Monaten im Amt ist.
Dass es weniger Party gegeben hätte, habe er nicht festgestellt: «Die Leute, die Spass haben wollten, haben gefeiert trotz der Einschränkungen durch die 2G-Vorschrift. Dass die Lokale weniger gefüllt gewesen wären, könnte ich nicht sagen», sagt Köhle. Man habe aber nicht festgestellt, dass von Après-Ski-Lokalen ein erhöhtes Infektionsgeschehen ausgegangen wäre.
Party-Mekka der Alpen
Ischgl hatte sich in den vergangenen Jahren den Ruf des Party-Mekkas der Alpen erworben. Bilder von den Auswüchsen der feiersüchtigen Touristen gingen um den Globus. Eine Bar machte im März 2020 als Infektionsherd Schlagzeilen.
Für den kommenden Winter will der Tourismusverband die Unterhaltung weniger stark in den Vordergrund rücken, sagt der Tourismusdirektor. Paznaun und Ischgl hätten sehr viel mehr zu bieten als Après-Ski, sagt Köhle. Es gebe kilometerweite Wanderwege und Langlaufloipen sowie zahlreiche Spitzenrestaurants. Man könne auch Schlittschuhlaufen.
Mit den Reservationen für den Winter sei er zufrieden, sagt Köhle: «Die Hauptreisezeiten sind ordentlich gebucht. Potential haben wir noch ausserhalb der klassischen Hauptsaison wie beispielsweise im Januar-Loch.» Dort würden aber in dieser Saison die Russen und Ukrainer fehlen. Das sei ein Volumen von 60'000 Übernachtungen einer sehr zahlungskräftigen Gästeschicht. «Das tut uns schon weh.»
Zudem bereiten die Folgen des Ukraine-Kriegs wie die hochschiessende Inflation und die explodierenden Strom- und Gaspreise Sorgen: «Wenn es sich nicht bessert, wird es schwierig», sagt Köhle. Allerdings hätten ganz viele Betriebe noch laufende längerfristige Stromverträge. In diesem Winter dürften die Aufschläge noch nicht so spürbar sein. Aber irgendwann würden auch die längerfristigen Verträge auslaufen und dann werde es zu Preiserhöhungen kommen.
In Ischgl gebe es noch keine Signale, dass der bereits vor einiger Zeit angekündigte Preis für die Tageskarte von 63 Euro noch erhöht würde. Aber die Übernachtungspreise dürften schon steigen. Denn die Inflation betrage derzeit rund 10 Prozent in Österreich. «Diesem Kostendruck werden nicht alle Vermieter standhalten können. Manche werden ihn weitergeben müssen», sagt Köhle.
Bei einer Strommangellage wehrte sich der Tourismusverantwortliche gegen die Abschaltung von Bergbahnen oder Saunas: «Es kann nicht sein, dass eine Branche für alle büssen muss.» Einsparvorschriften müssten für alle gelten.
Die Seilbahnen brauchen 1,2 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Österreich. «Es wird die Nation nicht retten, wenn alle Seilbahnen abgestellt werden», sagt Köhle. Man könnte mit dem Abschalten aller Geräte im Stand-by-Modus mehr Strom sparen als mit den Abschalten aller Seilbahnen.