Jewgeni Prigoschin: So wurde er von Putins Koch zum Staatsfeind
Gemäss übereinstimmenden Berichten ist Jewgeni Prigoschin bei einem Jet-Absturz ums Leben gekommen. Der Wagner-Boss wurde von Putins Koch zu Putins Gegner.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss russischen Medienberichten ist Jewgeni Prigoschin am Mittwochabend gestorben.
- Demnach kam der 62-Jährige bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Moskau ums Leben.
- Das Leben des Söldnerführers im Zeitraffer: Vom Sträfling zum Volkshelden zum Verräter.
Gemäss übereinstimmenden Medienberichten soll Jewgeni Prigoschin am Mittwochabend bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Moskau ums Leben gekommen sein. Demnach steht sein Name auf der Passagierliste eines abgestürzten Privatjets: Exakt zwei Monate nach der misslungenen Meuterei des Söldnerführers...
Damit findet das Leben des Jewgeni Prigoschin ein jähes Ende. Die Geschichte vom steilen Aufstieg bis zum Absturz.
Unternehmer und Propagandist
Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin wurde am 1. Juni 1961 in Leningrad (heute Sankt Petersburg) als Sohn einer Krankenschwester und eines Ingenieurs geboren.
Der Aufstieg des späteren Söldnerführers beginnt Anfang der Nullerjahre: Mit seinem Cateringunternehmen «Konkord» gelangt er durch die Patronage von Wladimir Putin zu wirtschaftlichem Erfolg. Das Unternehmen erhält zahlreiche Regierungsaufträge, beliefert die russischen Streitkräfte, Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser mit Essen.
Prigoschin baut seine wirtschaftlichen Aktivitäten immer weiter aus – im Jahr 2013 gründet er das sogenannte «Internet-Forschungsinstitut» (IRA): Die Trollfabrik verbreitet putinfreundliche Propaganda und diffamiert die Feinde des Kremlführers im Internet. Mit falschen Nutzerprofilen und organisierter Meinungsmanipulation soll die IRA 2016 versucht haben, den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen.
Söldnerführer und Volksheld
Seit 2012 war Jewgeni Prigoschin an der Gründung der privaten Sicherheits- und Militärorganisation «Gruppe Wagner» beteiligt. Bereits während der Annexion der Krim soll die Organisation paramilitärische Aufgaben übernommen haben. Später macht die «Gruppe Wagner» mit Einsätzen in Afrika und Syrien auf sich aufmerksam.
Im März 2022 tauchen die Wagner-Söldner erstmals an der russisch-ukrainischen Front auf. Später zieht das russische Verteidigungsministerium weitere Kämpfer der Söldnertruppe aus Afrika und Syrien ab, um die «militärische Spezialoperation» zu unterstützen. Die teilweise deutlich besser ausgerüsteten und ausgebildeten Wagner-Einheiten können schon bald erste Erfolge vermelden.
Für den Einsatz seiner Söldner wird Jewgeni Prigoschin offiziell zum «Held Russlands» erklärt. Parallel zu seinem Aufstieg zum Vorzeigemann der russischen Kriegspropaganda zählt Prigoschin im Westen zu den meistgesuchten Verbündeten Putins.
Im Sommer 2022 beginnt Prigoschin – selbst ein ehemaliger Sträfling – damit, neue Söldner in Haftanstalten zu rekrutieren: Dabei stellt er den verurteilten Straftätern Begnadigungen in Aussicht, falls sie einen halbjährigen Kriegseinsatz überleben. Gemäss übereinstimmenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen soll er auf diese Weise mindestens 30'000 Männer für den Kriegseinsatz rekrutiert haben.
Gegenläufer und Verräter
Im darauffolgenden Herbst bestätigt Jewgeni Prigoschin erstmals offiziell seine Führungsrolle in der Söldnertruppe. Gleichzeitig verschlechtert sich sein Verhältnis zum Kreml zunehmend: Die «Gruppe Wagner» hat trotz zahlreichen Erfolgen mit erheblichen Verlusten zu kämpfen.
Prigoschin wirft der Militärführung um Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu vor, seine Söldner nicht ausreichend zu versorgen. Nach der Eroberung von Bachmut – ein Erfolg, den die «Gruppe Wagner» für sich beansprucht – eskalieren die Spannungen: Der Söldnerführer kritisiert den Verlauf der «Spezialoperation» erstmals öffentlich und positioniert sich damit indirekt auch gegen Putin.
Im Sommer 2023 folgt schliesslich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Mit einer Reorganisation der Freiwilligenverbände will Verteidigungsminister Schoigu dem Söldnerführer das Kommando über die «Gruppe Wagner» entreissen.
Prigoschin holt zum Gegenschlag aus: Am 23. Juni wirft er der russischen Militärführung vor, Stellungen der «Gruppe Wagner» bombardiert zu haben. Die Söldnertruppe setzt zum «Marsch der Gerechtigkeit» in Richtung Moskau an und bringt Rostow am Don unter ihre Kontrolle. Erst nach Verhandlungen mit der russischen Obrigkeit ordnet der Söldnerführer den Rückzug seiner Truppen an.
Ein Schelm, wer Böses denkt
Damit endet Jewgeni Prigoschins Führungsrolle im russischen Machtapparat – nach der Meuterei taucht er phasenweise ab. Gleichzeitig leitet der Kreml eine grossangelegte Diffamierungskampagne ein.
Obwohl Wladimir Putin den Söldnerführer scheinbar straffrei ziehen lässt, schien es schnell naheliegend, dass Prigoschin den «Hochverrat» nicht überleben würde. Am Mittwoch soll Prigoschin nun bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein.
Für Russland-Experte Ulrich Schmid ist ziemlich klar, dass Putin hinter dem Abschuss steckt. «Es war nur eine Frage der Zeit, bis Prigoschin nach diesem öffentlichen Akt der Unloyalität zu Tode kommen würde.»