Kein Tapetenwechsel mehr: Eine Branche schwächelt
Die Deutschen haben offenbar immer weniger gestalterisches Interesse an den eigenen vier Wänden: Der Abwärtstrend in der Tapetenindustrie setzt sich fort.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Deutschen sind in Kauflaune - dennoch sinken die Umsätze der Tapetenbranche weiter.
Nach einer Schätzung des Deutschen Tapeten-Instituts sanken die Erlöse 2019 auf rund 260 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor waren es 271 Millionen und 2017 noch 290 Millionen Euro.
Auch auf der Messe Heimtextil in Frankfurt, die noch bis diesen Freitag (10.1.) läuft, spiegelt sich diese Entwicklung. Zeigten auf der Branchenschau 2019 noch 155 Wandbekleidungsfirmen ihre Neuheiten, sind es in diesem Jahr nur noch 126. 2020 fehlt etwa A.S. Création, Deutschlands einziger börsennotierter Tapetenhersteller. Man wolle seine Kommunikation direkt zum Endverbraucher deutlich ausbauen, begründete das Unternehmen die Entscheidung.
Der Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts, Karsten Brandt, führt die Lage der Branche auch auf das gesunkene Interesse vieler Verbraucher an Inneneinrichtung zurück. Niedrige Arbeitslosigkeit und hohe Einkommen führten dazu, dass die Menschen aus ihren Häusern «nach draussen schweifen», sagte Brandt. «Dann geht man in Urlaub, dann kauft man sich ein neues Auto, ein neues iPad.» Ginge es den Leuten wirtschaftlich schlechter, zöge es sie eher in die eigenen vier Wände, meinte Brandt.
«Als wir Wirtschaftskrise hatten, hatten wir eine bessere Konjunktur», sagte auch Ullrich Eitel, Geschäftsführer der Marburger Tapetenfabrik aus dem hessischen Kreis Marburg-Biedenkopf. Das Unternehmen gilt als besonders innovativ. Der Messestand auf der Heimtextil ist verziert mit in Tapete eingelassenen LED-Leuchten. Die leuchtende Wandbekleidung ist Eitel zufolge «ein Nischenprodukt, mit dem wir aber unsere Kompetenz und Innovation nach vorne bringen».
Trotz neuer Trends geht auch im Ausland das Interesse an Tapete «Made in Germany» zurück. Nach Angaben des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) liegen die Exporte der Hersteller derzeit fünf bis sechs Prozent unter den Werten des Vorjahres. Bei der Marburger Tapetenfabrik macht das Auslandsgeschäft rund 60 Prozent des Umsatzes aus.
Der heimische Markt hat Brandt zufolge auch ein strukturelles Problem. Zwischen Baumärkten und hochwertigen Raumausstattern gebe es immer weniger Spezialgeschäfte für Tapeten. Der Trend bei Neubauwohnungen tue sein Übriges: «Grosse Glasflächen, kein Textil, keine Farbe, kein Muster.»
Wachstumschancen sieht das Deutsche Tapeten-Institut bei spezialisierten Anbietern für hochwertige Produkte oder beim digitalen Druck mit individuell gestaltbaren Tapeten. Auch neue Techniken, wie die Marburger Tapetenfabrik sie vorführe, seien ein guter Weg. Die Tapete als «Lifestyle-Produkt» könne man gut über Instagram oder Dekorationsgeschäfte vertreiben, sagt Instituts-Geschäftsführer Brandt. Das Institut ist dem Branchenverband (VDT) angeschlossen.