Lagardes EZB-Schwerpunkte: Niedrigzinsen, Klima, Digitales

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Belgien,

Ab November soll die bisherige IWF-Chefin Lagarde die Europäische Zentralbank führen. Bei ihrer Anhörung im EU-Parlament zeigt sie sich offen für eine Fortführung der lockeren Geldpolitik. Unterschiede zu ihrem Amtsvorgänger Mario Draghi werden dennoch deutlich.

Christine Lagarde, die designierte EZB-Präsidentin, bei einer Befragung im Wirtschafts- und Währungsausschuss im Europaparlament. Foto: Francisco Seco
Christine Lagarde, die designierte EZB-Präsidentin, bei einer Befragung im Wirtschafts- und Währungsausschuss im Europaparlament. Foto: Francisco Seco - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die designierte Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, will die Auswirkungen der Niedrigzinsen in Europa nicht aus den Augen verlieren.

«Wir müssen die negativen Folgen und Nebeneffekte im Blick behalten», mahnte die 63-Jährige im Europaparlament in Brüssel.

Die Sorgen der Leute müssten beachtet werden. Gleichzeitig machte sie klar, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik für absehbare Zeit für nötig hält, da die Eurozone wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt sei, während die Inflation niedrig sei. Die Entscheidungen der Notenbank will sie künftig aber besser erklären. Und auch der Kampf gegen den Klimawandel soll eine grössere Rolle spielen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Juli als Nachfolgerin von Mario Draghi an der Spitze der EZB nominiert. Der offizielle Beschluss soll im Oktober fallen - nach Konsultationen mit dem Europaparlament.

Die Zentralbank mit Sitz in Frankfurt entscheidet über die Geldpolitik für die Eurozone und bestimmt unter anderem den Leitzinssatz, der auch für Sparer und Kreditnehmer wichtig ist. Hauptziel der EZB ist Preisstabilität.

«Ich will, dass die Menschen in der Eurozone unsere Entscheidungen verstehen», sagte Lagarde bei der Anhörung weiter. Markt- und Finanzakteure würden die Schritte ohnehin im Detail verfolgen, es komme aber darauf an, etwaige kurzfristige Nachteile und langfristige Vorteile von Entscheidungen zu kommunizieren. «Darauf werde ich viel Zeit und Energie verwenden.»

Die Währungshüter hielten den Leitzins in den vergangenen Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken erhalten damit frisches Geld bei der Notenbank zum Nulltarif. Sparguthaben werfen aber praktisch keine Zinsen ab. Auch an den 0,4 Prozent Strafzinsen, die Kreditinstitute zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken, hielt die Notenbank fest. Dies soll Geschäftsbanken davon abhalten, Geld zur Notenbank zu tragen. Die Währungshüter wollen die Institute stattdessen dazu bringen, mehr Kredite an Unternehmen und Privatpersonen zu vergeben. Dies soll die Wirtschaft ankurbeln und zugleich die Inflation anheizen. Die Branche kostet es Milliarden.

Die Massnahmen der Notenbank hätten die Wirtschaft in Europa seit der Finanzkrise um 2013 angekurbelt, die andernfalls zwei Prozent kleiner wäre, sagte Lagarde weiter. Etwa 11 Millionen neue Jobs seien entstanden. Sie bekenne sich zu den Kernaufgaben der EZB, auf künftige Herausforderungen müsse aber flexibel reagiert werden.

Zu diesen Herausforderungen zählte sie auch den Klimawandel und die Entstehung von Digitalwährungen. Eine Frage sei doch, ob Zentralbanken selbst Digitalwährungen ausgeben sollten, meinte Lagarde. Der US-Digitalriese Facebook hatte in den vergangenen Monaten mit der Ankündigung seiner Digitalwährung Libra bei Politikern und Notenbankern Unruhe ausgelöst. Libra soll im kommenden Jahr für Verbraucher verfügbar und etwa mit US-Dollar oder Euro zu kaufen sein. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sieht die Währung vor allem für grenzüberschreitende Überweisungen von Vorteil.

Mit Blick auf den Klimawandel sagte Lagarde, Klimarisiken müssten ins Zentrum der Finanzstabilität rücken. Die Entwicklung grüner Finanzmärkte sei noch nicht weit genug vorangeschritten. Damit sind Investments und Finanzprodukte gemeint, die mit dem 2015 geschlossenen Pariser Klimaabkommen im Einklang stehen.

Die Europäische Union hat sich hier zum Ziel gesetzt, ihren Ausstoss an Treibhausgasen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Schätzungen zufolge müssten dafür pro Jahr etwa 180 Milliarden Euro klimafreundlich investiert werden.

Grundsätzliche Kritik kam von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. «Die Zentralbanken haben kaum noch Mittel, um eine echte Wirtschaftskrise wirkungsvoll abzudämpfen», sagte er. «Sie haben bereits jetzt den Geldhahn bis zum Anschlag aufgedreht - allen voran die Europäische Zentralbank

«Gesamtwirtschaftlich wird eine weitere Zinssenkung auf dem aktuellen Niveau verpuffen. Sie wird lediglich die Vermögenspreise weiter in die Höhe treiben und die Sparer weiter belasten», sagte Sewing weiter. Schon jetzt belaste die EZB-Zinspolitik die Branche enorm. «Allein uns als Deutsche Bank kosten die negativen Einlagenzinsen einen hohen dreistelligen Millionenbetrag in diesem Jahr. Auf vier Jahre hochgerechnet sind das deutlich mehr als zwei Milliarden Euro

Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber meinte: «Unter Mario Draghi hat die EZB eine ultraexpansive Geldpolitik betrieben, die im Ergebnis wenig gebracht hat, aber gerade in Südeuropa viele Probleme verschleiert hat.» Die Ära der Negativzinsen müsse unter Lagarde ein Ende finden.

Draghi hatte in den vergangenen acht Jahren Massstäbe gesetzt. Die Europäische Zentralbank werde alles tun, um den Euro zu retten («Whatever it takes»), erklärte er etwa 2012, als die Eurozone am Abgrund stand. Die EZB beschloss, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen - ein heftig umstrittenes Programm, das allerdings nie zum Einsatz kam. «Ich hoffe, dass ich niemals so etwas sagen muss», meinte Lagarde mit Blick auf Draghis Ausspruch.

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments stimmte am Mittwochabend mehrheitlich für Lagarde, wie es aus Parlamentskreisen hiess. Das Plenum soll in den kommenden Wochen ebenfalls noch abstimmen. Dies hat allerdings vor allem symbolische Bedeutung, die Entscheidung liegt letztlich bei den EU-Staats- und Regierungschefs.

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