Lieferengpässe bei Medikamenten nehmen zu
Das Wichtigste in Kürze
- Eine stockende Versorgung bei gängigen Medikamenten wird zu einem immer grösseren Problem.
- Die Lieferengpässe sind meist auf die Produktion zurückzuführen.
- Allgemein ist die Problematik noch kein Grund, Alarm zu schlagen.
Lieferengpässe bei Medikamenten haben in letzter Zeit zugenommen. Immer mehr werden sie zum Problem. Ein Grund sind komplexe Lieferketten auf dem Weltmarkt.
Apotheker warnen vor Nachteilen für Patienten. «Lieferengpässe bei Schilddrüsenarzneien, Arzneien gegen Gicht oder Schmerzmitteln wie Ibuprofen sind ein dauerndes Ärgernis».
Auch der Rückruf des Blutdrucksenkers Valsartan nach einer Verunreinigung habe 2018 zu einem Mangel in den Apotheken geführt und normalisiere sich erst langsam. «Die Lieferengpässe haben in den vergangenen Jahren zugenommen.», sagt Mathias Arnold, Vizepräsident der Apothekervereinigung ABDA.
Medikamente zweiter Wahl
Zwar lassen sich viele knappe Arzneien durch andere Medikamente ersetzen, doch das bleibe nicht ohne Folgen, warnt Arnold. «Das sind nicht die Mittel, auf die die Patienten eingestellt sind und nicht zwingend die, die sie am besten vertragen.»
Hormone in Schilddrüsenmedikamenten etwa würden in Mini-Dosierungen verabreicht. «Wenn Firma B die Pillen anders presst, macht das schon einen Unterschied.» Patienten müssten dann von ihrem Arzt anders eingestellt werden.
Auch bei Apothekern kosten Lieferengpässe Zeit: Helfen eine grössere Packung oder doppelt so starke Tabletten, die der Patient teilen muss? Muss der Arzt das Rezept ändern? Das zehrt an den Nerven. Für neun von zehn selbstständigen Apothekern zählen Lieferengpässe zu den grössten Ärgernissen im Alltag, so die ABDA.
Produktionsbedingte Lieferengpässe
Laut dem Apothekerverband hat sich die Zahl der nicht verfügbaren Rabattarzneien fast verdoppelt: Von 4,7 Millionen Packungen 2017 auf 9,3 Millionen im vergangenen Jahr. Jedes 50. dieser Mittel sei von Lieferengpässen betroffen – also mehr als zwei Wochen nicht verfügbar oder deutlich stärker nachgefragt als angeboten.
Gründe für Lieferengpässe gibt es viele. So herrscht im globalen Gesundheitswesen Kostendruck. Viele Pharmakonzerne lassen laut ABDA Wirkstoffe in Fernost herstellen – etwa Antibiotika in China und Indien.
Dort konzentriert sich die Produktion auf wenige Betriebe, wie der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) erklärt. Die Folge: Steht die Produktion zeitweilig still oder kommt es wegen Verunreinigungen zu Arznei-Rückrufen, hakt es in der Lieferkette.
Noch keinen Grund Alarm zu schlagen
Sind nun Arzneien in grossem Stil knapp? Drohen Patienten ernsthafte Gesundheitsgefahren? Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sieht keinen Grund, Alarm zu schlagen. Die Behörde hat derzeit knapp 290 Meldungen über Lieferengpässe bei Medikamenten erfasst – bei rund 103 000 zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland.
Zwar gebe es «eine kontinuierliche Steigerung der Lieferengpass-Meldungen», erklärte das Institut. Die Zahlen liessen sich aber nicht mit den Vorjahren vergleichen, da sich die Datengrundlage geändert haben.
Zudem gibt es keine Pflicht, Lieferengpässe bei Arzneien zu melden – wohl aber einen Trend zu mehr freiwilligen Angaben. Ohnehin sei ein Lieferengpass noch lange kein Versorgungsengpass. Gemessen an allen Meldungen entstünden Versorgungsengpässe «relativ selten.»