Liess Griechenland Migranten in Seenot sterben?

Aglaja Bohm
Aglaja Bohm

Griechenland,

Letzte Woche ist ein Boot mit 700 Migranten an Bord vor der Küste Griechenlands gekentert. Die Behörden haben spät gehandelt, lässt eine Recherche vermuten.

Griecheland Frontex
Das vor Griechenland verunglückte Flüchtlingsboot hatte 700 Migrantinnen und Migranten an Bord. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • 78 Tote und Hunderte Vermisste forderte das Bootsunglück letzte Woche bislang.
  • Eine Recherche lässt vermuten, dass die griechische Küstenwache viel zu spät handelte.
  • Über einen Zeitraum von sieben Stunden bewegte sich das Schiff kaum fort.

Letzten Mittwoch sind bei einem Schiffbruch vor der Küste Griechenlands zahlreiche Migrantinnen und Migranten ertrunken. Der Tod von mindestens 80 Menschen ist bis jetzt bestätigt. Die Uno geht aber davon aus, dass noch mindestens 500 Personen vermisst werden.

Die Organisation hat eine Untersuchung des griechischen Umgangs mit der Katastrophe gefordert. Sie vermutet, dass früher Massnahmen hätten ergriffen werden müssen, um einen Rettungsversuch einzuleiten.

Behörden behaupten, Boot sei auf Kurs gewesen

Die Küstenwache behauptet, dass sich das Schiff auf dem Weg nach Italien befand und keine Hilfe benötigt habe. Gegen halb vier nachmittags (GMT) entdeckte ein Hubschrauber der Behörden das Migrantenboot. Es sei zu diesem Zeitpunkt auf stabilem Kurs gewesen, heisst es.

Weiter heisst es seitens der griechischen Behörden, dass sie das Boot aus einer diskreten Entfernung beobachtet hätten. Gegen acht Uhr abends bis um nach halb elf abends habe das Schiff einen «gleichmässigen Kurs und eine gleichmässige Geschwindigkeit» eingehalten.

Später veröffentlichte Nahaufnahmen aus diesem Zeitraum lassen laut BBC aber vermuten, dass sich das Boot nicht bewegte. Um 23 Uhr abends sank das Schiff schliesslich, mit Hunderten Menschen an Bord.

Bootsunglück
Die Koordinaten des Schiffes waren der Küstenwache lang vor dem Untergang bekannt. - Griechische Küstenwache

Eine Recherche der britischen Zeitung zeigt: Sieben Stunden lang bewegte sich das überfüllte Fischereifahrzeug kaum vorwärts, bevor es kenterte.

Das geht aus einer Computeranimation von Verfolgungsdaten hervor, die MarineTraffic, eine Analyseplattform für den Seeverkehr, bereitgestellt hat. Sie liegt der britischen Zeitschrift vor. Da das Fischerboot keinen Peilsender hatte, ist es nicht auf der Karte verzeichnet. Auch die Schiffe der Küstenwache und des Militärs müssen ihren Standort nicht mitteilen.

Boot wurde bereits am Dienstagmorgen entdeckt

Die Grenzschutzbehörde der EU, Frontex, entdeckte das Schiff bereits am Dienstagmorgen um acht Uhr. Sie informierte die Behörden. Um 12.17 Uhr erhielt Alarm Phone, eine Notfall-Hotline für Migrantinnen und Migranten, einen Anruf, dass das Boot in Seenot sei.

Video- und Fotoaufnahmen, die von BBC Verify beglaubigt wurden, zeigen, dass ein Schiff namens «Lucky Sailor» um 15 Uhr abrupt nach Norden abbog. Laut dem Eigentümer wurde er von der Küstenwache aufgefordert, die Migrantinnen und Migranten an Bord mit Wasser und Nahrung auszustatten. Das bestätigt er gegenüber BBC.

Gegen 18 Uhr fuhr ein weiteres Boot, die «Faithful Warrior», in dasselbe Gebiet, um mit Wasser und Nahrung zu versorgen.

griechenland migranten
Freiwillige helfen auf Lesbos völlig erschöpften Flüchtlingen aus ihrem Boot. (Archivbild) - dpa

Der Massstab der animierten Karte deutet darauf hin, dass das Migrantenboot in sieben Stunden nur wenige Seemeilen zurückgelegt hat, schreibt BBC. Bei einem angeschlagenen Schiff, das von Wind und Wellen getrieben wird, ist das zu erwarten. Ebenso dürften die Menschen in Not durch ihre Aktionen das Schiff zum Schaukeln gebracht haben, was zur Bewegung beitrug.

Die Menschen an Bord hätten keine Hilfe gewollt, sagt die griechische Küstenwache. Sie seien erst kurz vor dem Untergang ihres Bootes in Gefahr gewesen, heisst es seitens griechischer Beamten. Eine Antwort der Behörden auf eine Anfrage von BBC bezüglich dieser Erkenntnisse ist noch ausstehend.

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