Mafia und andere Banden werden zur Bedrohung für Europa
Interpols Generalsekretär Jürgen Stock warnt vor der wachsenden Bedrohung durch international operierende Banden wie die Mafia.
Das Wichtigste in Kürze
- Kriminelle Banden werden zur Bedrohung für Europa, warnt der Interpol-Generalsekretär.
- Regional agierende Banden hätten sich global ausgebreitet und hätten viele Ressourcen.
- Die Haupteinnahmequelle der mafiösen Banden: Drogen-, Menschen- und Waffenhandel.
Der scheidende Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock schlägt angesichts international operierender Gangs wie der Mafia Alarm: «Die Welt läuft Gefahr, den Kampf gegen die transnationale organisierte Kriminalität zu verlieren.»
Das Potenzial dieser Banden, «sogar Industrieländer in Europa zu destabilisieren, hat beispiellose Ausmasse angenommen». Stock betont, dass es klare Anzeichen dafür gebe, dass regional agierende Banden sich mittlerweile global ausgebreitet hätten.
«Sie sind zu globalen Verbrechern geworden, sie agieren wie globale Unternehmen», so der Interpol-Generalsekretär. Dabei würden Banden wie die Mafia über «astronomische Mengen an Ressourcen» verfügen, etwa um Menschen- und Waffenhandel voranzutreiben.
Kokain als besonders grosses Problem
Die Haupteinnahmequelle der Kriminellen sei aber weiterhin der Drogenhandel. Dieser werde auch in Zentraleuropa zu einem immer grösseren Problem. «Wir sprechen über alle Arten von Drogen, die auf den kriminellen Märkten erhältlich sind. Aber derzeit ist Kokain vor allem ein grosses Problem», so Stock weiter.
Trotz Nachrichten von Drogen-Rekordfunden in europäischen Häfen würden sich Preis und Angebot auf den Strassen nicht verändern. Dies sei ein klares Zeichen dafür, dass kein Mangel bestehe.
Der Weg des Kokains: Von Südamerika bis zur deutschen Strassenecke
Vor allem das Kokain kommt Stock zufolge nach wie vor von den Kartellen Südamerikas. Es gelange zum Beispiel im Hafen der ecuadorianischen Stadt Guayaquil auf Schiffe in den Pazifik. «Von da an wird der Markt sehr flexibel», sagt Stock. Auf verschiedenen Routen gelangt die hochprofitable Droge nach Europa.
Eine der Routen führt über das politisch in Teilen zerrüttete Westafrika. Von dort gelangen die Drogen bis nach Nordafrika und dann in die Mittelmeerregion. Ein grosses Problem bei den Häfen – auch in Europa – ist Stock zufolge dabei das Ausmass an Korruption: «Der Zustrom von Drogen lässt sich also nur dadurch erklären, dass die Hafenbehörden offensichtlich korrumpiert werden.»
Mafia und andere Banden: Revierkämpfe auf den letzten Metern zum Konsumenten
Entlang der Route führt das Geschäft mit den Drogen immer wieder zu Gewalt. Aber auch am Ende der illegalen Lieferkette nehmen die Taten zu. Dort, auf der sogenannten letzten Meile, würden lokale Banden den Strassenverkauf organisieren.
«Und weil es so profitabel ist, kämpfen sie auch in dieser Phase um ihr Revier.» Beispiele seien hier Schweden, Belgien oder die Mafia in den Niederlanden. «Aber es auch gibt Anzeichen dafür, dass dieser Kampf zumindest in Teilen Deutschlands begonnen hat», so Stock.
Um der Gefahr durch die Gangs zu begegnen, brauche es noch mehr Zusammenarbeit der nationalen Strafverfolgungsbehörden, sagt Stock. Die Behörden der Länder müssten die zehn bis 15 grössten Gruppen gezielt ins Visier nehmen.
Extrem tödliches Fentanyl schleicht sich in Europa ein
Gefährlich sei das auch, weil in den Drogen immer öfter das synthetische Opioid Fentanyl finde. «Wir können derzeit sehen, dass es sich auch in die europäischen Märkte einschleicht», sagt der Interpol-Generalsekretär.
Fentanyl ist potenziell gefährlicher als andere Drogen, Experten zufolge wirkt es etwa 50 Mal stärker als Heroin. Bereits zwei Milligramm gelten als potenziell tödliche Dosis.
In den USA hat Fentanyl bereits zu einem enormen Drogenproblem mit Zehntausenden Toten geführt. Nach Angaben des nationalen US-Instituts, das Drogenmissbrauch erforscht, starben 2021 mehr als 70'000 Menschen an einer Überdosis.