Streit um mehr Corona-Tests - NRW verlängert Beschränkungen

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Deutschland,

Wie viele Tests braucht es, damit die Gefahr unbemerkter Ansteckungen mit dem Coronavirus möglichst gering bleibt? Bayern setzt auf das Prinzip Masse für alle - und bleibt damit vorerst allein.

Ein Wattestäbchen eines Corona Abstriches wird in einem Labor bearbeitet. Foto: Oliver Berg/dpa/Archiv
Ein Wattestäbchen eines Corona Abstriches wird in einem Labor bearbeitet. Foto: Oliver Berg/dpa/Archiv - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Bayern trifft mit seinem Vorstoss zu Corona-Tests für jedermann auch ohne Symptome auf breite Skepsis.

Mehrere andere Länder lehnten am Montag eine solche Ausweitung ohne konkrete Anlässe für Massentests ab.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte: «Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend.» Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verteidigte dagegen die Pläne: «Es wird sonst zu wenig getestet.» Nach dem grossen Corona-Ausbruch im Tönnies-Fleischwerk in Westfalen werden für den betroffenen Kreis Gütersloh Einschränkungen bis 7. Juli verlängert.

Spahn betonte: «Testen, testen, testen - aber gezielt.» Die mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) entwickelte nationale Teststrategie beinhalte umfassendes präventives Testen im Gesundheitswesen und bei lokalen Ausbrüchen wie in Gütersloh. Auch wie in Nordrhein-Westfalen in Schlachthöfen zweimal die Woche zu testen, mache Sinn. Einfach nur viel zu testen, wiege aber in falscher Sicherheit, erhöhe das Risiko falsch-positiver Ergebnisse und belaste die vorhandene Testkapazität.

Bayern hatte am Sonntag angekündigt, Tests für alle zu ermöglichen - auf Wunsch auch für Menschen ohne Symptome und ohne besonders hohes Infektionsrisiko. Dafür will der Freistaat Kosten tragen, die nicht die Krankenkassen übernehmen. Kalkuliert wird zunächst mit einem dreistelligen Millionenbetrag. «Wir warten nicht auf endlose Gespräche zwischen einzelnen Kostenträgern, sondern wir gehen in Vorleistung, weil wir glauben, dass neben Abstand halten Testen die einzige ernsthafte Chance ist, Infektionsketten zu unterbrechen», sagte Söder. Am Dienstag will sein Kabinett den Plan beschliessen.

Generell sind in Deutschland inzwischen Corona-Tests in vielen Fällen auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich - besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Spahn hatte vor knapp drei Wochen dafür eine Verordnung verkündet, die eine Reihe zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur, wenn jemand Infektionssymptome zeigte, wie Fieber, Husten, Halsschmerzen.

Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) kritisierte mit Blick auf Bayern, ein unsystematisches Testangebot für die gesamte Bevölkerung bringe keinen Erkenntnisgewinn. «Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass durch negative Tests bei den Menschen ein falsches Sicherheitsgefühl entsteht und das Risikobewusstsein zurückgeht.» Schleswig-Holsteins Ressortchef Heiner Garg (FDP) sagte der dpa: «Ein einzelner Test ist immer nur eine Momentaufnahme.» Massnahmen könnten nur aus positiven Testergebnissen abgeleitet werden. Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) sagte: «Testungen müssen weiterhin immer gezielt und anlassbezogen eingesetzt werden.»

Söder wies Vorwürfe eines ungezielten Vorgehens zurück: «Wir haben ja genau ein System entwickelt.» Zunächst gebe es Serientests für das medizinische Personal, die Altenpflege und Behinderteneinrichtungen. Ferner werde dies Lehrern und Erziehern angeboten, da dort gerade nach den Ferien Gefahren für eine erneute Ansteckungswelle bestünden.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüsste die bayerischen Pläne. «Diese Tests sind sinnvoll, weil wir kein anderes Instrument haben, zügig und schnell eine Infektionskette zu erkennen», sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. Er forderte dennoch bundesweite Konzepte. «Es geht alles drunter und drüber, jedes Bundesland macht, was es will.»

Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies bleibt das öffentliche Leben im Kreis Gütersloh für eine weitere Woche bis zum 7. Juli eingeschränkt. Für den Nachbarkreis Warendorf dagegen laufen Einschränkungen um 0.00 Uhr in der Nacht zu diesem Mittwoch aus, wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in Düsseldorf sagte.

Im Kreis Gütersloh hatte sich die Lage zuletzt etwas entspannt. Nach Angaben des RKI gab es in dem Kreis 112,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage. Die kritische Marke liegt bei 50. Am Sonntag waren es noch 132,9 gewesen, am vergangenen Dienstag 270,2. Der Kreis Gütersloh ist laut RKI der einzige Kreis in Deutschland mit mehr als 50 Neuinfektionen. Söder sagte, mehr Tests zu einem früherem Zeitpunkt hätten auch in Gütersloh manches vielleicht verhindern können.

Laschet sprach sich dafür aus, die von Bund und Ländern abgesprochene Regelung für einen Lockdown zu verändern: Man müsse noch einmal darüber sprechen, nicht ganze Kreise «heraus zu nehmen», sondern «die Orte, wo wirklich Gefahr besteht», sagte Laschet. «Das werden wir einmal mit den anderen Ländern, wenn die Krise vorbei ist, erörtern.» Laschet bezog sich konkret auf Städte und Gemeinden im Kreis Warendorf, die aktuell keine Infektionen haben - und dennoch vom Lockdown betroffen waren.

© dpa-infocom, dpa:200629-99-598668/7

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