Hanau (D): 11 Tote nach Schüssen von Rechtsradikalem Tobias R. (†43)
Nach tödlichen Schüssen in Hanau dringen Spezialkräfte der Polizei in eine Wohnung ein und finden zwei Leichen – unter ihnen der mutmassliche Täter Tobias R.
Das Wichtigste in Kürze
- In der hessischen Stadt Hanau (D) wurden elf Menschen durch Schüsse getötet.
- Die Polizei fand den mutmasslichen Täter Tobias R. (†43) tot in einer Wohnung vor.
- Es ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Der Täter scheint rechtsradikal zu sein.
- Ein Überlebender sagt, der Täter habe in einer Shisha-Bar wahllos auf Leute geschossen.
- Am Brandenburger Tor halten nun Hunderte Mahnwache.
Gestern Abend kam es in Hanau (D) im Bundesstaat Hessen zu einer schrecklichen Bluttat. Nach den tödlichen Schüssen auf elf Menschen in Hanau (D) ist auch der mutmassliche Täter tot. Laut «Bild»-Informationen soll es sich beim Täter um Tobias R. (†43) handeln.
Bei acht der Opfer handelt es sich um Menschen türkischer Abstammung, einer griechischer. Ausserdem befindet sich auch die Mutter des Attentäters unter den Opfern. Ausserdem soll eines der Opfer, eine zweifache Mutter, schwanger gewesen sein, berichtet «Bild».
Hunderte trauern am Brandenburger Tor um Opfer
Mehrere Hundert Menschen gedenken nun den Opfern am Brandenburger Tor. Darunter befinden sich auch etliche prominente Politiker. Sie bildeten eine grosse Menschenkette rund um das Tor.
Vereinzelt waren Europaflaggen zu sehen. Auf einem Schild stand der Schriftzug: «Wir trauern um die Opfer von Hanau, Halle, Kassel, Köln, Mölln, etc. Stoppt Hass und Hetzte in den asozialen Medien.»
Zuvor hatten sich rund 20 Politiker verschiedener Parteien an den Händen gefasst und eine Schweigeminute abgehalten. Zu ihnen zählten die beiden Bundes- und Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Katrin Göring-Eckardt, FDP-Chef Christian Lindner, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und der SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh. Danach gingen die Bundespolitiker geschlossen zum Bundestag zurück.
Auch die Berlinale hat am Donnerstagabend mit einer Schweigeminute für die Opfer des Anschlags in Hanau begonnen.
«Die Ereignisse haben uns sehr betroffen gemacht», sagte Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek bei der Eröffnungsgala der 70. Ausgabe der Filmfestspiele. Die Berlinale stehe für Freiheit, Toleranz und Respekt, betonte sie.
Überlebender: «Er schoss den Leuten in den Kopf»
Ein Überlebender hat einem türkischen Fernsehsender von der Attacke erzählt. Der junge Mohammed R. sass zum Zeitpunkt des Angriffs in einer Shisha-Bar. Er habe fünf oder sechs Schüsse von draussen gehört. «Dann ist der Mann ins Lokal gekommen und hat sofort begonnen, wahllos auf uns zu schiessen.»
Der Täter habe den Leuten in den Kopf geschossen – Mohammed R. traf er in den Arm. Nach den ersten Schüssen seien viele auf den Angreifer zugerannt und hätten versucht, ihn zu Boden zu reissen. Doch er habe einfach weiter geschossen.
«Der Mann traf jemanden direkt in den Hals. Der schrie, dass er seine Zunge nicht mehr spüren könne», sagt der Überlebende weiter. Danach habe der Täter das Lokal verlassen.
«Rassistischer Angriff»
Die Islamverbände in Deutschland verurteilen die Tat zutiefst. «Es ist jetzt die Zeit, zusammenzurücken und zusammenzustehen», sagte Zekeriya Altug, Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM) in Köln.
Auch die Türkei verurteilt die Gewalttat als «rassistischen Angriff». «Wir erwarten von den deutschen Behörden maximale Anstrengungen, um den Vorfall aufzuklären», so Ibrahim Kalin, Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, auf Twitter.
Dün gece Almanya’da gerçekleşen ve yabancı düşmanı olduğu anlaşılan ırkçı saldırıda vefat eden vatandaşlarımıza Allah’tan rahmet, yaralılara acil şifalar diliyorum. Olayı aydınlatmak için Alman makamlarının azami çaba göstermesini bekliyoruz.
— İbrahim Kalın (@ikalin1) February 20, 2020
Irkçılık kollektif bir kanserdir.
Merkel: «Rassismus ist Gift»
Kurz äusserte sich auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Vorfall. Es werde alles unternommen, um die Hintergründe der entsetzlichen Morde aufzuklären. Und: «Rassismus ist ein Gift, Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft und ist Schuld an viel zu vielen Verbrechen.»
Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt nun wegen Terrorverdachts. «Er stuft das Verbrechen als Verdacht einer terroristischen Gewalttat ein», sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag im Landtag in Wiesbaden.
Keine Hinweise auf weitere Täter
Es gebe keine Hinweise auf weitere Täter. Der Täter hat nach Informationen aus Sicherheitskreisen wenige Tage vor der Tat ein Video bei Youtube veröffentlicht. In diesem Video spricht der Mann in fliessendem Englisch von einer «persönlichen Botschaft an alle Amerikaner».
Der Clip, der am heute Morgen weiter im Internet zu sehen war, wurde offensichtlich in einer Privatwohnung aufgenommen, ins Netz gestellt wurde er vor wenigen Tagen.
Darin sagt Tobias R., in den USA existierten unterirdische Militäreinrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet würden. Dort würde auch dem Teufel gehuldigt. Amerikanische Staatsbürger sollten aufwachen und gegen diese Zustände «jetzt kämpfen». Er behauptet auch, Deutschland werde von einem Geheimdienst gesteuert.
In einem Text auf seiner Homepage schreibt er ausserdem: «Als ich nur wenige Jahre alt war, schwor ich mir, wenn ich damit richtig liege, dass ich überwacht werde, dann gibt es Krieg!»
Ausserdem äussert er sich negativ über Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei. Ein Hinweis auf eine bevorstehende eigene Gewalttat in Deutschland ist in dem Video nicht enthalten. Das Motiv des Verbrechens mit insgesamt elf Toten blieb zunächst unklar.
Schon vor Monaten habe er einen fast identischen Schriftsatz aufgesetzt. Ob dieser dann auch tatsächlich an die Behörden ging, ist unklar.
Bereits Strafanzeigen in 2002 und 2004
Der Täter soll bereits vor 15 Jahren Behördenkontakt gehabt haben. Konkret soll er 2002 und 2004 angezeigt worden sein, wie die «Welt» berichtet. Der Grund dafür war angeblich «illegale Überwachung».
Entsprechende Angaben wurden der Zeitung von einem ehemaligen Bekannten des Attentäters bestätigt. Die Staatsanwaltschaft wollte sich allerdings nicht dazu äussern.
Nach eigener Aussage habe sich Tobias R. bereits einige Monate vor der Tat bei der Bundesanwaltschaft gemeldet. Ein entsprechendes Schreiben soll er an den Generalbundesanwalt adressiert haben. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, wäre sein Gefahrenpotenzial unterschätzt worden.
Waffe online gekauft
Der Täter hatte seine Tatwaffe im Online-Shop gekauft, berichtet das «Redaktions Netzwerk Deutschland». Es handle sich um eine Pistole Glock 17, 9 Millimeter Luger. R. hatte gemäss ihren Informationen ausserdem zwei weitere Waffen.
Schüsse an mehreren Orten
Durch Schüsse an zwei Tatorten waren am Mittwochabend in Hanau nach Polizeiangaben mindestens neun Menschen getötet worden. Der mutmassliche Täter wurde während einer Grossfahndung tot in seiner Wohnung aufgefunden. Dort entdeckte die Polizei noch eine weitere Leiche.
Die Schüsse fielen am Mittwochabend an zwei Standorten: Einerseits bei einer Shisha-Bar am Heumarkt an, im Westen der Stadt.
Das regionale Portal «Vorsprung Online» hatte zunächst berichtet, dass eine Person aus einem Auto heraus gezielt auf Menschen geschossen hatte. Die Polizei bestätigte lediglich, dass ein dunkler Wagen davongefahren sei.
Weitere Schüsse fielen ebenfalls am Kurt-Schumacher-Platz. Das ist ein zentraler Platz im Stadtteil Kesselstadt. Auch dort fielen Schüsse in und vor einer Shisha-Bar. Die beiden Tatorte befinden sich rund zweieinhalb Kilometer voneinander entfernt.
Eine mögliche dritte Schiesserei im Stadtteil Lamboy bestätigte sich nicht.
L'agguato al shisha-bar di #Hanau è avvenuto intorno alle 23, i media tedeschi hanno diffuso le prime immagini della zona immediatamente cordonata dalla polizia:#Germania pic.twitter.com/z6Rs28wqSo
— Davide (@mister_ricci) February 19, 2020