EU-Gipfel zerstritten über Klimaziel und Personalpaket
Wer wird künftig die EU in Brüssel führen? Beim Gipfel ist das längst nicht der einzige Streitpunkt. Aber zumindest bei einem Thema sind sich die 28 Staaten einig.
Das Wichtigste in Kürze
- Beim EU-Gipfel ist die verbindliche Festlegung auf ein ehrgeiziges neues Klimaziel für 2050 gescheitert.
Das von Deutschland unterstützte Datum für den Umbau zur «klimaneutralen» Wirtschaft wurde nach stundenlangen Debatten am Donnerstag aus der Gipfelerklärung gestrichen und in eine Fussnote verbannt, wie Diplomaten bestätigten. Auch beim Streit über die neue Führung der Europäischen Union war am späten Abend keine Einigung in Sicht. Beschlossen wurde aber die Verlängerung der Russland-Sanktionen.
Die Besetzung der EU-Spitzenposten für die nächsten Jahre war eigentlich Topthema für das Treffen der Staats- und Regierungschefs. Doch die Diskussion über das neue Klimaziel zog sich derart in die Länge, dass der grosse Postenpoker am Abend noch nicht einmal begonnen hatte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Erwartungen zum Auftakt des Treffens ohnehin gedämpft.
In der Klimadebatte hatte Frankreich eine Festlegung auf 2050 für die «klimaneutrale EU» vorgeschlagen, Merkel unterstützte dies ausdrücklich. Doch vor allem Polen wehrte sich mit Unterstützung von Ungarn, Tschechien und Estland gegen das verbindliche Zieldatum. Es wurde letztlich gestrichen. Die Fussnote verweist nach Angaben von Diplomaten darauf, dass eine Mehrheit der EU-Länder für das Datum war.
Die Staatenlenker standen wegen der Klimaproteste unter Druck. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte die EU aufgefordert, Klimaneutralität bis 2050 anzustreben. Das soll dem Ziel des Pariser Klimaabkommens dienen, die globale Erwärmung bei höchstens 2, möglichst aber bei 1,5 Grad zu stoppen, jeweils im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung.
Das Ziel bedeutet, dass die allermeisten Treibhausgase eingespart werden müssen. Der Rest muss ausgeglichen werden, etwa durch Aufforstung oder Speicherung. Gleichzeitig muss die Energieversorgung von Öl, Kohle und Gas auf Wind, Sonne, Biosprit und Co umgestellt und Energie extrem sparsam eingesetzt werden. Gewaltige Investitionen wären nötig. Polen hat einen hohen Anteil Kohlestrom und müsste sich noch mehr anstrengen als andere EU-Länder. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte deshalb einen Ausgleich.
Auch bei der Besetzung der EU-Spitzenposten schien die Lage zum Auftakt des Gipfels verfahren. Bundeskanzlerin Merkel und Ratschef Donald Tusk dämpften die Hoffnung, dass man sich bei dem zweitägigen Treffen bereits auf ein Personalpaket einigen könnte. «Wir haben noch ein paar Tage Zeit», sagte Merkel.
Es geht es um die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sowie um vier weitere Ämter - die Präsidenten des Europäischen Rats, des Europaparlaments und der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die Position der Aussenbeauftragten.
Anspruch auf die Juncker-Nachfolge erhebt CSU-Vize Manfred Weber, dessen Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl erneut stärkste Kraft geworden ist. Als Kandidaten ihrer Parteien beworben haben sich auch der Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager. Die Regierungschefs im Europäischen Rat haben das Recht zur Nominierung, anschliessend ist aber eine Mehrheit im EU-Parlament nötig.
Der französische Präsident Emmanuel Macron stellt sich gegen Weber. Aber auch für die anderen Kandidaten ist keine Mehrheit in Sicht. Merkel sagte, nötig sei eine Lösung erst bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Europaparlaments am 2. Juli. «Wie immer muss man Schritt für Schritt vorgehen.» Sie betonte, dass ein Konsens mit dem Europaparlament gefunden werden solle. Der irische Premierminister Leo Varadkar rechnete nach eigenen Worten mit einem Sondergipfel Ende Juni oder Anfang Juli.
Einig waren sich die 28 Staaten immerhin bei der Verlängerung der Wirtschaftssanktionen, die wegen des Ukraine-Kriegs gegen Russland verhängt worden waren. Die EU hatte die Handels- und Investitionsbeschränkungen trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Dezember 2018 bis zum 31. Juli 2019 verlängert. Sie sollen nun weitere sechs Monate gelten.
Eingeführt wurden die EU-Strafmassnahmen nach dem Absturz eines malaysischen Flugzeugs mit 298 Menschen an Bord über der Ostukraine im Juli 2014. Auf eine Aufhebung soll Russland erst hoffen können, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum Ukraine-Krieg komplett erfüllt sind.