Merkel will Europa gestärkt aus der Corona-Krise führen
In wenigen Tagen übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Dafür hat Angela Merkel im Bundestag ihre Ziele skizziert.
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland übernimmt demnächst die EU-Ratspräsidentschaft.
- Für Angela Merkel dreht sich dabei alles um die Corona-Krise.
- Diese müsse man auch dazu nutzen, wichtige Reformen voranzubringen.
Nur noch wenige Tage sind es, dann übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Und damit noch stärker eine führende Rolle in Europa als ohnehin schon. Die Kanzlerin skizziert im Bundestag ihre Ziele dafür. Über allem steht die Corona-Krise.
«Wir müssen einerseits die Folgen der Krise bewältigen, aber zugleich auch Europa widerstandsfähiger und zukunftsfähiger machen», sagte sie in einer Regierungserklärung am Donnerstag im Bundestag. Die Ratspräsidentschaft geht am 1. Juli für ein halbes Jahr auf Deutschland über. «Wir übernehmen diese Verantwortung in einer Zeit, in der die Europäische Union der grössten Herausforderung ihrer Geschichte gegenübersteht», sagte Merkel.
«Die Pandemie zeigt uns: Unser Europa ist verwundbar.» Deshalb seien Zusammenhalt und Solidarität in Europa noch nie so wichtig wie heute gewesen, betonte die Kanzlerin. «Unser gemeinsames Ziel muss es jetzt sein, die Krise gemeinschaftlich, nachhaltig und mit Blick auf die Zukunft zu bewältigen. Und genau das wird das Leitmotiv unserer EU-Ratspräsidentschaft sein.» Merkel räumte ein, dass sich Europa zu Beginn der Krise «unvernünftig» verhalten habe: «Die ersten Reflexe, auch unsere eigenen, waren eher national und nicht durchgehend europäisch.»
Krise für wichtige Reformen nutzen
Merkel rief dazu auf, die Krise auch dazu zu nutzen, wichtige Reformen voranzubringen. Wie Europa die Krise bewältige, werde über den Wohlstand seiner Bürger und seine Rolle in der Welt entscheiden. Zugleich befinde sich Europa in einem tiefgreifenden Umbruch, sagte sie und wies auf den Klimawandel hin sowie die Digitalisierung, die das Zusammenleben in einem rasanten Tempo fundamental verändere. Die Antwort auf die Krise dürfe keine Rückkehr zu herkömmlichem Arbeiten und Wirtschaften sein, «sondern muss den Wandel in ein neues Arbeiten und Wirtschaften stärken und beschleunigen».
Davon hänge es ab, ob es nach der Krise in Europa kreative und wettbewerbsfähige Unternehmen und nachhaltig gesicherte Arbeitsplätze gebe, sagte Merkel. «Und wir wissen, dass Andere in der Welt nicht ruhen, sondern sehr entschlossen und sehr robust handeln.»
Merkel verteidigt EU-Wiederaufbaufonds
Die Kanzlerin verteidigte den geplanten milliardenschweren EU-Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der Folgen der Coronakrise als Mittel gegen Radikale und Spaltung in Europa. «Wir dürfen nicht naiv sein: Die antidemokratischen Kräfte, die radikalen, autoritären Bewegungen, warten ja nur auf ökonomische Krisen, um sie dann politisch zu missbrauchen», warnte sie.
Die Kanzlerin und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten einen Hilfsfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro vorgeschlagen. Kritiker in der EU wie Österreich und Dänemark lehnen einen solchen Fonds ab, weil das Geld in Form von nicht zurückzuzahlenden Zuschüssen vergeben werden soll. Die EU-Kommission präsentierte anschliessend einen Wiederaufbauplan im Wert von 750 Milliarden Euro. Dieser soll auf Kredit finanziert und bis 2058 abbezahlt werden.
Merkel sagte, sie werde sich für eine möglichst schnelle Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU und den Wiederaufbaufonds einsetzen. Beim EU-Gipfel an diesem Freitag sei aber nur ein erster Austausch geplant, anschliessend werde es intensive Konsultationen geben. Am besten wäre eine Einigung noch vor der Sommerpause.