Moskau beklagt Beschuss aus Ukraine

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Russland beklagt nach seinem Einmarsch in die Ukraine inzwischen fast täglich Angriffe auf sein eigenes Staatsgebiet und droht mit härteren Schlägen gegen Kiew.

Das Satellitenbild zeigt Schäden durch Explosionen und Brände in zwei Öldepots in Brjansk. Die Brände ereigneten sich vor wenigen Tagen in einem russischen Öldepot unweit der Grenze zur Ukraine.
Das Satellitenbild zeigt Schäden durch Explosionen und Brände in zwei Öldepots in Brjansk. Die Brände ereigneten sich vor wenigen Tagen in einem russischen Öldepot unweit der Grenze zur Ukraine. - Planet Labs Pbc/Planet Labs PBC/AP/dpa

Das Geschrei ist gross in Russland, weil im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von dort nun angeblich immer häufiger auch das eigene Staatsgebiet beschossen wird.

Die Schäden und die Zahl der Verletzten auf russischem Gebiet sind zwar minimal im Vergleich zur Zerstörung ganzer Städte und Tausenden Toten in der Ukraine. Aber Moskaus Militärführung nimmt die Zwischenfälle inzwischen zum Anlass, Kiew mit noch härteren Schlägen gegen Kommandozentralen in der Hauptstadt zu drohen.

Die Ukraine weist die Vorwürfe, Ziele wie Munitionsdepots oder Kraftstofflager im grossen Nachbarland ins Visier genommen zu haben, in der Regel zurück. Manchmal erklärt die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj aber auch selbstbewusst, dass Russland es eben nicht anders verdient habe. In den Grenzgebieten merkten die Russen nun selbst, was es bedeute, «entmilitarisiert» zu werden, meinte beispielsweise Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Russlands Staatschef Wladimir Putin hatte den Einmarsch auch damit begründet, das vom Westen aufgerüstete Land entwaffnen zu wollen.

«Schulden zurückzahlen»

Podoljak sagte an die Adresse der Russen: «Wenn Ihr Euch entscheidet, massiv ein anderes Land zu attackieren, dort massenhaft alle nacheinander tötet, friedliche Menschen mit Panzern zerquetscht und für diese Morde Eure Lager in Euren Gebieten benutzt, dann werdet Ihr früher oder später Eure Schulden zurückzahlen müssen.» Das sei ein «absolut natürlicher Prozess», so der Selenskyj-Berater. Zugleich betonte er, es könne unterschiedliche Gründe für die Zerstörung der russischen Infrastruktur geben.

Am Wochenende beklagte der Gouverneur der westrussischen Region Kursk, Roman Starowojt, Granatbeschuss von ukrainischer Seite. In der Region gilt Warnstufe gelb für Terrorgefahr. Auch die russischen Gebiete Belgorod, Brjansk und Woronesch melden immer wieder Zwischenfälle.

Für besonderes Aufsehen sorgten Anfang April Bilder von einem grossen Feuer in einem Öllager in der Nähe der Stadt Belgorod. Zwei ukrainische Kampfhubschrauber, so die Russen, hätten das Depot in Brand gesetzt. Im Internet kursierten danach Videos von zwei Helikoptern, die im Tiefflug unterwegs waren. Die nicht überprüfbaren Aufnahmen liessen auch viele Russen fragen, wie ein solches Eindringen in den Luftraum der Atommacht überhaupt möglich sei.

Brücke auf die Krim im Fadenkreuz

Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, dementierte zwar, dass Kiew mit dem brennenden Öllager etwas zu tun habe. Unlängst drohte er aber, die von Russland gebaute Auto- und Eisenbahnbrücke zur Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu zerstören. Die ukrainische Armee könne der Krim-Brücke einen Schlag versetzen, wenn sie die Möglichkeit dazu habe. Im Moment fehlen dafür wohl die Waffen. Aber Danilow sagte klar: «Wenn die Möglichkeit da sein wird, werden wir das auf jeden Fall machen.» Die Reaktion aus Moskau folgte prompt: Dann werde die ukrainische Hauptstadt verstärkt zum Ziel.

Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, lässt keine Gelegenheit aus, Kiew auf die sehr grossen Reichweiten russischer Raketen hinzuweisen. Er beklagt zudem Sabotageversuche: Immer wieder meldet der Inlandsgeheimdienst FSB Festnahmen mutmasslicher ukrainischer Nationalisten, die auf russischem Gebiet Anschläge vorbereitet haben sollen. Dazu werden Videos von Verdächtigen mit selbstgebauten angeblichen Sprengsätzen gezeigt. Die Ukraine weist das als Unsinn zurück.

Doch der mutmassliche Beschuss aus dem Nachbarland und die Mitteilungen des FSB lösen bei vielen Russen Ängste aus, dass der Krieg sich ausweiten könnte. Russland selbst schürt solche Ängste. Der Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, warnte kürzlich: «Die Aufladung des Kiewer Regimes mit Waffen und die Entsendung von ausländischen Söldnern ist unverantwortlich und höchst gefährlich.» Die Waffen könnten in die Hände von Terroristen gelangen, die aus aller Welt in die Ukraine kämen. Auch könnten ukrainische Nationalisten die Waffen für Vergeltungsschläge nutzen.

Bläst Putin zur Generalmobilmachung?

Diese Zwischenfälle auf russischem Staatsgebiet - aber auch eine zuweilen von Moskaus Propagandisten diskutierte mögliche Niederlage in der Ukraine - nähren Befürchtungen, dass Putin seinen Einsatz noch einmal erhöhen könnte. Mit Spannung wird seine Rede zur traditionellen Militärparade am 9. Mai in Moskau erwartet, mit der Russland jedes Jahr an den Sieg über Hitler-Deutschland 1945 erinnert. Auch im Westen wird spekuliert, dass der Kremlchef mit der Waffenschau zum Grossangriff blasen könnte.

«Wenn Putin am 9. Mai eine Generalmobilmachung für den Krieg mit der Ukraine anordnet (darüber schreibt die britische Presse), dann werden Russland und die Russen ganz beschissen dran sein», schrieb der Oppositionelle und langjährige Parlamentsabgeordnete Gennadi Gudkow bei Twitter. Die Reaktion des Westens wäre dann zerstörerisch. «Putin bringt dem Land Millionen Gräber und einen Zerfall der Russischen Föderation.»

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