Muttermilchspenden als Säuglingsanfangsnahrung
Nicht jede Frau kann ihr Kind von Geburt an selbst stillen. Muttermilch von Spenderinnen können helfen– vorausgesetzt, das Spital hat eine Milchbank.
Das Wichtigste in Kürze
- Nicht jedes Neugeborene kann von Geburts aus von seiner Mutter gestillt werden.
- Deshalb gibt es Milchbanken, die in diesem Fall helfen.
- Gesunde Mütter mit einem Milchüberschuss spenden dort ihre eigene Muttermilch.
Brust anlegen und füttern: Das geht nach der Geburt nicht immer so problemlos. Helfen kann dann die Muttermilch von Spenderinnen - vorausgesetzt die Klinik betreibt eine Milchbank. Mehrere Wochen hat die kleine Freyja umgeben von Schläuchen und Kabeln im Inkubator in der Kinderstation der Uniklinik Essen gelegen. Im Januar kam Freyja auf die Welt - vier Monate früher als geplant.
Ihr Gewicht: 690 Gramm. «Meine kleine Kämpferin», stellt ihre Mutter Giedre Jukneviciute sie vor. Nach einer schwierigen Schwangerschaft und der plötzlichen Frühgeburt blieb bei ihr die Muttermilch in den ersten Tagen aus.
«Aber sie hat von Anfang an Muttermilch bekommen, nur eben von einer anderen Mama», erzählt Jukneviciute. Möglich wurde das durch die Frauenmilchbank an der Uniklinik.
Deutschlandweit sind nach Angaben der Geschäftsführerin der Frauenmilchbank-Initiative, Anne Sunder-Plassmann, 34 Frauenmilchbanken bekannt. Denen stehen 200 Kliniken gegenüber, an denen Frühgeborene behandelt werden. Der Bedarf an gespendeter Muttermilch sei deutlich höher als das, was die bestehenden Frauenmilchbanken anbieten könnten.
Ziel der Initiative sei es, dass alle Frühgeborenen und kranken Neugeborenen mit Muttermilch versorgt werden könnten. «Da sind wir noch weit von entfernt. Auch wenn der Trend in den vergangenen Jahren in die richtige Richtung geht», sagt Sunder-Plassmann.
Aufbau von Milchbanken
Für mehr Milchbanken setzt sich auch das Projekt «Neo-MILK» der Universität Köln ein. «Bisher gibt es in Deutschland keinen einheitlichen Standard in Bezug auf die Gabe von Spenderinnenmilch.» Das sagt Nadine Scholten, Leiterin des Projekts.
«Das macht es für die Kliniken schwerer, sich selbst Vorgaben zu erarbeiten.» Das öffentlich geförderte Forschungsprojekt unterstützt Krankenhäuser beim Aufbau von Milchbanken. Bundesweit sollen ab diesem Jahr 15 weitere Kliniken Frauenmilchbanken bekommen.
Die Uniklinik Essen, in der auch Freyja liegt, hat in einem Raum mehrere Kühlschränke und Gefriertruhen. In denen stapeln sich beschriftete Fläschchen mit der hellen Flüssigkeit.
Milch dürften nur gesunde Mütter spenden, die ebenfalls in der Klinik liegen und einen Milchüberschuss haben. Das erklärt Silke Kruse-Hähnel, Fachkinderkrankenschwester an der Uniklinik. Die Spenderin pumpt die Milch ab, dann wird die Flüssigkeit erhitzt und auf schädliche Keime und Viren überprüft.
«Man kann das mit Blutspenden vergleichen, aber mit strengeren Kriterien», erklärt Kruse-Hähnel. Die Milch halte sich in der Tiefkühltruhe bis zu sechs Monate.
Muttermilch schützt vor Infektionen
Babys bekommen die fremde Milch über Magensonden. Am häufigsten erhalten Frühgeborene die gespendete Muttermilch. Aber auch Kinder mit kranken Müttern, die etwa an dem HI-Virus oder an Krebserkrankungen leiden, können davon profitieren. Viel wird dafür nicht benötigt: Ein Frühchen mit einem Geburtsgewicht von 1000 Gramm braucht am ersten Tag gerade mal einen Esslöffel voll Muttermilch.
Nach einer Woche sind es etwa 105 Milliliter - so viel wie in einen kleinen Joghurtbecher passt. Die Muttermilch enthalte unter anderem Immunglobuline und Abwehrstoffe, erklärt Kruse-Hähnel. «So ist gewährleistet, dass die Kinder sehr gut vor Infektionen geschützt sind. Und die Muttermilch ist leichter verdaulich.»
Neu ist das Konzept nicht. Die ersten sogenannten Frauenmilchsammelstellen gab es in den 1920er Jahren, um die damals hohe Säuglingssterblichkeit zu bekämpfen. Während Muttermilchspenden später in der DDR gefördert wurden, schlossen die letzten Sammelstellen in der Bundesrepublik in den 70er Jahren. Industrielle Nahrung wurde als besserer Ersatz angesehen.
«Lange galt der Glaube, dass wir gespendete Muttermilch gar nicht brauchen», sagt Sunder-Plassmann. «Aber seit einigen Jahren gibt ein klares Comeback von Milchbanken.»