Nach Brexit mehr Einwanderung in einigen britischen Branchen
Während der Brexit in Dienstleistungsberufen den Personalmangel verschärft hat, ist die Zahl der Arbeitskräfte aus dem Ausland in anderen Branchen in Grossbritannien gestiegen. So kamen in den vergangenen Jahren etwa im Finanzsektor oder im Gesundheitswesen deutlich mehr Arbeitskräfte nach Grossbritannien, wie aus offiziellen Zahlen der Regierung hervorgeht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahlen wurden von der Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland per Informationsfreiheitsabfrage eingeholt.
Sie lagen auch der deutschen Nachrichtenagentur DPA vor. Zunächst hatte die «Financial Times» über die Zahlen berichtet.
«In Berufen mit höheren Qualifikationen und höherem Lohn können Arbeitgeber prinzipiell relativ einfach Visa für ausländische Bewerber bekommen, ausserdem gibt es weitere Flexibilität für alle, die im Gesundheitssystem oder der Pflege arbeiten wollen», sagte der Arbeitsmigrations-Experte Jonathan Portes vom King's College London. Vor dem Brexit habe für Arbeitskräfte aus der EU Freizügigkeit gegolten, wohingegen die Hürden für Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten relativ hoch gewesen seien. Das habe dazu geführt, dass die Arbeitsmigration in Feldern wie IT oder Business-Leistungen angestiegen seien. Ausserdem kämen mehr Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern, besonders aus Indien und Nigeria.
So kamen etwa im Herbstquartal des vergangenen Jahres mehr als 6400 Arbeitskräfte aus Indien in den britischen Gesundheits- und Pflegesektor. Auch aus Simbabwe und Nigeria waren es im gleichen Zeitraum jeweils mehr als 3000. In den Jahren 2019 und 2020 – also bevor die Post-Brexit-Regeln in Kraft traten, lagen diese jeweiligen Zahlen in keinem Quartal über 2000. Im Handwerkssektor gab es zuletzt eine stark steigende Zahl an Arbeitskräften von den Philippinen: Seit Ende 2021 ging die Kurve stetig nach oben.
Die «Skilled Workers»-Visa für hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland müssen von Arbeitgebern gesponsert werden. Sie werden ab einer gewissen Gehaltsschwelle vergeben.
Der britisch-deutsche Ökonom Andrew Lee, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg lehrt, sagte: «Man kann tatsächlich sagen, dass dieses System ein Brexit-Vorteil ist. Ob er den bezahlten Preis dafür – die verlorene Freizügigkeit innerhalb der EU für britische Bürger – wert ist, ist eine andere Frage.»