Nach Missbrauchsstudie: Dutzende neue Meldungen beim Bistum
Im Januar erschütterte eine Studie zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising die katholische Kirche. Von 497 Opfern gingen die Gutachter aus - und einem grossen Dunkelfeld.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit der Vorstellung des Gutachtens über sexuellen Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising haben sich Dutzende weitere Betroffene gemeldet.
Die unabhängigen Ansprechpersonen der Erzdiözese für die Prüfung von Verdachtsfällen zählten bis Anfang Juni 42 neue Meldungen, wie das Bistum auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in München mitteilte.
Das vom Bistum bei einer Münchner Anwaltskanzlei in Auftrag gegebene Gutachten hatte bei seiner Vorstellung im Januar weltweit Aufsehen erregt. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmasslichen Tätern aus - und von einem weit grösseren Dunkelfeld.
Den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, heute Benedikt XVI., wurde in dem Gutachten persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen - ebenso dem aktuellen Erzbischof Kardinal Reinhard Marx. Dieser hatte Papst Franziskus vor einem Jahr seinen - vom Pontifex umgehend abgelehnten - Rücktritt angeboten.
«Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten», schrieb Marx dem Papst in seinem Rücktrittsgesuch. Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es «viel persönliches Versagen und administrative Fehler» gegeben habe, aber «eben auch institutionelles oder systemisches Versagen». Die katholische Kirche sei an einem «toten Punkt» angekommen.
Aus Sicht der Reformbewegung «Wir sind Kirche» ist in Marx' eigenem Bistum seit dem Rücktrittsgesuch nicht genug passiert: «Die konkreten Reformschritte im Münchner Erzbistum hinken leider immer noch den Ankündigungen und Betroffenheitsbekundungen hinterher», sagte «Wir sind Kirche»-Sprecher Christian Weisner der dpa.