Nachbarschaftshilfe: Gemeinsam dem einsamen Winter trotzen

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Deutschland,

Es sind nun fast drei lange Jahre Pandemie, für viele Jahre der Einsamkeit. Und nun schon wieder ein krisenbehafteter Winter. Wie können wir unseren Nachbarn helfen, die sich jetzt alleine fühlen?

Der Mensch sehnt sich als soziale Wesen nach einer gewissen Nähe. Hat er sie nicht, fühlt er sich einsam.
Der Mensch sehnt sich als soziale Wesen nach einer gewissen Nähe. Hat er sie nicht, fühlt er sich einsam. - Christin Klose/dpa-tmn

Während sich die einen über gemütliche Glühweinstunden freuen, graut den anderen vor dunklen und einsamen Winterabenden. Rund jeder Zehnte ab 40 fühlte sich laut Deutschem Alterssurvey schon vor der Pandemie einsam. Seither ist der Anteil der Menschen, die so empfinden, Experten und weiteren Studien zufolge gestiegen. Im Winter kann es besonders schlimm sein.

Ein bewährtes Gegenmittel gegen Einsamkeit ist nachbarschaftliche Unterstützung. Experten geben im Folgenden Tipps, wie wir einsamen Mitmenschen helfen können.

Aber erst einmal von vorne: Warum sind Menschen eigentlich einsam?

«Sich einsam zu fühlen, ist normal – möglicherweise ist es sogar evolutionsbedingt», sagt Psychologe Oliver Huxhold, der zu Einsamkeit forscht. Denn der Mensch sehnt sich als soziale Wesen nach einer gewissen Nähe.

Zwar sei Einsamkeit keine Altersfrage, allerdings fühlen sich ältere Menschen meist aus anderen Gründen einsam als jüngere. Und wie man am besten mit Einsamkeit umgeht, hängt stark davon ab, wie lange jemand bereits einsam ist. Huxhold nennt ein Beispiel: Viele Studierende sind während Corona in neue Städte gezogen und hatten zunächst keinen sozialen Anschluss. Mit der Aufhebung der Kontaktbeschränkungen hat sich für viele das Problem der Einsamkeit aber wieder gelegt.

Sind Menschen jedoch aus anderen Gründen über einen längeren Zeitraum einsam, kann sich eine chronische Einsamkeit entwickeln. Da reiche sozialer Austausch allein nicht mehr aus, um das Gefühl zu überwinden, sagt Oliver Huxhold vom Deutschen Zentrum für Altersfragen. Wenn stark zurückgezogene Menschen ihre Umwelt sogar als eher feindselig wahrnehmen, brauche es vielleicht eine kognitive Verhaltenstherapie.

Dazu passt auch: «Wer bereits vor der Pandemie mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte, war von den Lockdowns besonders betroffen», das hat Psychologe Christoph Benke von der Philipps-Universität Marburg in einer Studie herausgefunden. Er stellt auch klar: «Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl und hat nicht unbedingt etwas mit Alleinsein zu tun.»

Die Mittel gegen Einsamkeit

Aber es gibt viele Möglichkeiten, sich zu schützen und sein Umfeld zu unterstützen, damit erst gar keine dauerhafte Einsamkeit entsteht. Etwa durch eine gute Nachbarschaft. «Menschen, die sich in ihrer Nachbarschaft gut eingerichtet haben, haben ein geringeres Risiko, sich einsam zu fühlen», sagt Einsamkeits- und Altersforscher Huxhold.

Zumal: «Nachbarn sind oft greifbarer – insbesondere, wenn Angehörige weit weg wohnen», sagt Julia Witte von der Caritas. Gerade während der Pandemie habe die «Hilfe bis zur Haustüre» zugenommen.

Gemeinsame Spaziergänge, Lagerfeuer im Innenhof

Manche Nachbarschaften haben zudem Formate für gemeinsame Aktivitäten gefunden, die sich gut mit den Corona-Massnahmen vereinbaren liessen, sagt Ina Remmers, Mitgründerin des Nachbarschaftsportals Nebenan.de. «Spazieren gehen war eine sehr beliebte Aktivität, manche haben auch einen Laternenumzug oder ein Lagerfeuer veranstaltet.»

Um in Kontakt mit Nachbarn zu kommen, helfe es aber oft schon, mit echtem Interesse und offenen Augen durch die Nachbarschaft zu gehen, sagt Remmers. «Selbst ein Gespräch über das Wetter kann ein erster Anknüpfungspunkt sein.»

Psychologe Christoph Benke sagt auch: «Das A und O ist in Kontakt zu bleiben.» Dadurch bekomme man leichter mit, wenn es einem Nachbarn nicht so gut geht und er sich zurückzieht. «Vielen nimmt bereits ein ehrliches Hilfsangebot Stress, weil sie wissen, es gibt jemanden, auf den sie zurückkommen könnten.»

Und fängt man an, sich selbst zu öffnen und von den eigenen Belastungen zu sprechen, macht es das anderen oft leichter, auch von sich zu erzählen und Hilfe anzunehmen. Auch praktische Dinge, etwa für andere mitkochen, können sehr entlastend sein. Solche Hilfen könne man im persönlichen Gespräch oder mit einem Aushang im Treppenhaus anbieten, schlägt Remmers vor.

Nicht aufdrängen

Gleichzeitig sei es wichtig, darauf zu achten, ob jemand überhaupt soziale Unterstützung wolle. «Der Eindruck kann trügen», sagt Altersforscher Huxhold. «Manche Menschen sind viel alleine, aber total zufrieden damit.» Es sei wichtig, nur sehr behutsam nachzufragen, sich nicht aufzudrängen und natürlich ein Nein zu akzeptieren.

Wer sich Tipps holen möchte oder sich selbst einsam fühlt, kann sich beispielsweise beim Kompetenznetzwerk Einsamkeit informieren oder sich an Beratungsangebote wie das Silbernetz oder regionale Anlaufstellen wie die Caritas wenden. Vielen Nachbarschaftshelfern gibt es mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein, sich erst einmal Wissen anzueignen, sagt Witte von der Caritas. Sie koordiniert einen Kurs für Ehrenamtliche, in dem unter anderem auch Erste Hilfe speziell für ältere Menschen vermittelt wird.

Hilfe zur Selbsthilfe

Fühlt man sich selbst einsam, empfiehlt Psychologe Christoph Benke, seine Kontakte zu reaktivieren – ganz gleich, ob persönlich, digital oder per Brief. Sich eine Tagesstruktur zu schaffen und seine Bildschirmzeit zu reduzieren, können ebenfalls einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden haben.

Es hilft vielleicht aber auch zu verstehen: «Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl und hat nicht unbedingt etwas mit Alleinsein zu tun», so Benke. Und Oliver Huxhold vom Deutschen Zentrum für Altersfragen ergänzt: «Auch viele Kontakte befriedigen die eigenen Bedürfnisse nicht immer.» Daher sollte man sich fragen, welche Erwartungen man an sein Umfeld habe und welche Beziehungen einem etwas Positives bringen.

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