Nawalny hält den Kremlchef für luxussüchtig
Russlands prunkvolle Paläste aus Zarenzeiten nutzt Präsident Putin seit Jahrzehnten dienstlich. Doch nun untermauert sein Gegner Alexej Nawalny mit neuen Recherchen und einem Gruss aus dem Knast alte Vorwürfe. Hat sich der Kremlchef einen eigenen Palast bauen lassen?
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Schmiergeldern in rauen Mengen soll sich der russische Präsident Wladimir Putin nach Recherchen seines Widersachers Alexej Nawalny einen riesigen Palast bauen lassen haben.
In einem Video zeigt der 44-Jährige Luftaufnahmen des gigantischen Anwesens an der sonnigen Schwarzmeerküste - mit Parkanlagen, einer Kirche, einem Hubschrauberlandeplatz, einer Brücke und einer Orangerie. Der zweistündige Film hat es in sich - und er ist ein Gruss aus dem Gefängnis in Moskau, in dem Nawalny seit seiner Rückkehr aus Deutschland festgehalten wird.
In den fünf Monaten in Deutschland, wo sich Nawalny von einem Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte, dachte er offenbar oft an den russischen Präsidenten. Er machte von dort aus Putin nicht nur verantwortlich für das Attentat und nannte ihn einen «Mörder». Nawalny fuhr auch nach Dresden, wo Putin zu DDR-Zeiten als KGB-Offizier in trauter Zusammenarbeit mit der Stasi kommunistischen Idealen diente.
Anhand der Spuren, die Putin dort hinterliess, und mit Fotos zeichnet Nawalny in seinem neuen Film nach, wie Putin die Geheimdienstfreunde von einst bis heute begleiten - und ihn zum «reichsten Mann der Welt» gemacht hätten. Und er nennt ihn mit Blick auf die Palastbilder vom Schwarzen Meer einen «Zaren», der jedes Mass verloren habe, sich selbst bereichere und seine Freunde durch das Stehlen öffentlicher Gelder zu abhängigen Dienern mache. «Aus einem einfachen sowjetischen Offizier ist ein Irrer geworden, der Geld und Luxus scheffelt», sagt Nawalny.
Rund 22 Millionen Mal wurde das Video bis zum Mittwochnachmittag aufgerufen. Es läuft viral im Netz - die kremlkritischen Medien in Russland kennen kein anderes Thema als die Rückkehr Nawalnys und sein neues Video. Die Staatsmedien schweigen zwar. Aber Putins Sprecher Dmitri Peskow sah sich unter dem Druck einmal mehr genötigt, Stellung zu nehmen zu dem rätselhaften Palast.
Es sei «Nawalnys alte Schallplatte», alles «Unsinn», der Präsident und der Kreml hätten damit nichts zu tun, betonte Peskow. Und überhaupt wolle der Kreml dazu nichts mehr sagen. Doch bleibt auch nach Peskow Stellungnahme die seit Jahren gestellte Frage offen, wem der Palast denn nun gehört.
Seit Monaten halten sich Spekulationen, dass sich Putin viel häufiger am Schwarzen Meer aufhalte als in Moskau. Es gab Berichte über Bewegungen staatlicher Flugzeuge. Peskow meinte dazu, dass Flüge der russischen Führung geheim seien. Putin selbst sagte im Dezember zu den Berichten um seine Person, es handele sich um gezielte Indiskretionen, die durch die westlichen Geheimdienste gestreut würden. Auch Nawalny sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, für den US-Geheimdienst CIA zu arbeiten. Er weist das zurück - und nennt sich einen echten Patrioten, weshalb er auch weiter kämpfe gegen Putin.
Der Putin-Gegner rekonstruiert anhand zahlreicher erstmals so gezeigter Dokumente die verschleierten Besitzverhältnisse zu dem grössten Privatanwesen in Russland. Der streng bewachte und weiträumig umzäunte Palast mit mehr als 17.500 Quadratmetern Fläche liegt in einer Weinbauregion nahe der Stadt Gelendschik. Ein Tunnel führe zum Strand, heisst es. Den Recherchen zufolge waren zeitweise «kleine Beamte» aus der Präsidialverwaltung als Eigentümer eingetragen.
Das Grundstück mit dem Palast im italienischen Design sei fast 40 Mal so gross wie Monaco, heisst es. Die Kosten sollen bei rund 100 Milliarden Rubel (1,3 Milliarden Euro) liegen. In dem Video werden Grundrisse des Palastes gezeigt: unter anderem mit Saunen, Wellness- und Massagebereich und mit einer Waffenkammer samt Kalaschnikow-Sturmgewehren.
«Putin lebt in extremem Luxus. Er lebt das Leben eines arabischen Scheichs und eines Menschen, der mit einem Blick Sachen in Gold verwandeln kann», sagt Georgi Alburow, der massgeblich an den Recherchen beteiligt war. Die verzweigten Firmengeflechte und die häufigen Besitzerwechsel liessen keinen anderen Schluss zu, als dass Putin der wahre Besitzer des Palastes sei. Alburow meint im Internet-Kanal Doschd, dass das wichtigste Ergebnis der Recherche sei, dass Putin wegen der Aufmerksamkeit dort nie werde leben können.
Nach Darstellung Nawalnys handelt es sich um den grössten Korruptionsskandal der russischen Geschichte. Für den Bau seien Dutzende Hektar Wald gerodet worden, die einzigartige Küstenlandschaft sei zerstört worden, sagt der Umweltschützer Dmitri Schewtschenko im Internet-Kanal Doschd. Ein solcher Landraub samt schwerer Eingriffe in die Natur sei nur mit Hilfe staatlicher Stellen möglich. Schwetschenko erzählt, er sei selbst früher auf dem Gelände gewesen.
Der Film gilt als Antwort Nawalnys auf seine Inhaftierung und die Verfolgung durch den Kreml. Der Regierungsgegner war am Montag nach seiner Rückkehr nach Russland in einem umstrittenen Eilverfahren in einer Moskauer Polizeistation zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Hinter dem Vorgehen der Justiz und hinter dem Mordanschlag vom 20. August sieht er ein «Killerkommando» des Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück. Für diesen Samstag haben Nawalnys Anhänger zu Protesten aufgerufen - für eine Freilassung des Kremlgegners und gegen Putin.