Neue Massenproteste in Belarus gegen Lukaschenko erwartet
In Belarus soll es am heutigen Sonntagnachmittag zu Massenprotesten gegen den Staatschef Alexander Lukaschenko kommen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Belarus wurde diese Woche die Oppositionelle Maria Kolesnikowa festgenommen.
- Dies könnte noch mehr Demonstranten auf die Strassen in Belarus ziehen.
- Für heute Sonntagnachmittag sind Massenproteste angekündigt.
In Belarus (Weissrussland) haben Gegner des umstrittenen Staatschefs Alexander Lukaschenko für Sonntag zu neuen Massenprotesten aufgerufen. Nach der Festnahme der Oppositionellen Maria Kolesnikowa wird mit Spannung erwartet, ob sich ab 13.00 Uhr MESZ mehr Menschen an den Aktionen beteiligen als an den Wochenenden zuvor.
Am vergangenen Sonntag gingen Beobachter von bis zu 100'000 Demonstranten aus. In der Hauptstadt Minsk ist ein «Marsch der Helden» geplant, der auch Kolesnikowa gewidmet ist.
Die 38-Jährige hatte diese Woche nach einer Entführung ihren Pass zerrissen und damit ihre Abschiebung ins Nachbarland Ukraine vereitelt. Ihr wird der Versuch der illegalen Machtergreifung vorgeworfen. Ihre Anwältin hatte das als absurd bezeichnet.
Demos bereits am Samstag
Bereits am Samstag forderten Tausende Frauen die Freilassung Kolesnikowas. «Gebt uns unsere Mascha zurück», skandierten sie. Bei der Demonstration gab es wieder viele Festnahmen. Das Menschrechtszentrum Wesna in Minsk listete am Abend die Namen von rund 70 Festgenommenen auf. Fast alle davon waren Frauen, aber auch Journalisten kamen in Polizeigewahrsam. Die Beamten gingen dabei mit massiver Gewalt gegen friedliche Demonstrantinnen vor. Bislang hatte sich die Polizei gegenüber Frauen weitgehend zurückgehalten und überwiegend Männer festgenommen.
Der oft als «letzter Diktator Europas» bezeichnete Lukaschenko hatte die führenden Funktionen im Sicherheitsapparat zuletzt neu besetzt und gefordert, härter gegen nicht genehmigte Proteste vorzugehen.
Die Polizei warnt eindringlich vor der Teilnahme an den Protesten. Viele Demonstranten lassen sich davon aber nicht einschüchtern. Der Sonntag ist für die Opposition der wichtigste Tag für Aktionen gegen Lukaschenko. Swetlana Tichanowskaja, die sich als rechtmässige Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August sieht, rief zur Teilnahme an den neuen Massenprotesten auf. Sie sagte in einer Videobotschaft: «Wir kämpfen weiter gemeinsam für die Freiheit.»
Seit der umstrittenen Abstimmung kommt es in Belarus täglich zu Protesten. Lukaschenko hatte sich mit offiziell 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit bestätigen lassen. Das Wahlergebnis wird international praktisch einhellig als gefälscht bewertet.
Merkel: «Unser Herz schlägt mit den friedlich Demonstrierenden»
Bundesaussenminister Heiko Maas sprach den gewaltfrei protestierenden Menschen in Belarus seinen Respekt aus. «Die vielen friedlichen Demonstranten und vor allem Demonstrantinnen beweisen tagtäglich, dass eine Lösung auf dem Gesprächsweg noch immer möglich ist», sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Angesichts der massiven Unterdrückung so viel Haltung, Mut und Würde zu zeigen, das verdient allergrössten Respekt.» Und er forderte: «Jetzt kommt es darauf an, dass wir die Menschen in Belarus nicht alleine lassen.»
Zuvor hatte schon Kanzlerin Angela Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft gesagt: «Unser Herz schlägt mit den friedlich Demonstrierenden. Es ist bewundernswert, mit welchem Mut und mit welcher Entschlossenheit sie für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auf die Strasse gehen.» Sie sei aber besorgt über die Entwicklung.
Unterdessen hat das belarussische Militär einige Truppen von der Westgrenze zu den EU-Mitgliedsstaaten Polen und Litauen abgezogen. Zahlen wurden nicht genannt. Eine Übung dort sei beendet worden, hiess es. Die Streitkräfte seien in ihre Kasernen zurückgekehrt, sagte Verteidigungsminister Viktor Chrenin am Abend Staatsmedien zufolge. Die Armee reagiere aber «weiter angemessen» auf Ereignisse entlang der Grenze.
Zuletzt waren viele Streitkräfte an die Westgrenze verlegt worden. Zudem hatte Lukaschenko einen Teil der Armee «in höchste Kampfbereitschaft» versetzen lassen. Hintergrund ist eine geplante Übung der Nato in Litauen. Chrenin zufolge sind US-Panzer auf einem Übungsgelände nur 15 Kilometer von der Grenze zu Belarus entfernt. Zudem gebe es Aufklärungsflüge entlang der Grenze.