COP in Glasgow wegen Streits um Klimaziele und Finanzhilfen in der Verlängerung
Wegen einer Reihe von Differenzen über Hilfszahlungen und andere Verhandlungsthemen ist die UN-Klimakonferenz in Glasgow in die Verlängerung gegangen.
Das Wichtigste in Kürze
- NGOs fordern bei Weltklimakonferenz auch klarere Abkehr von fossilen Energien.
Der britische Premierminister Boris Johnson rief die Industriestaaten am Freitag auf, für die Entwicklungsländer «Geld auf den Tisch» zu legen. Nicht nur bei Aktivisten sorgten abgeschwächte Formulierungen in den Verhandlungstexten, etwa zur Abkehr von fossilen Energieträgern, für Unmut. Der US-Klimagesandte John Kerry brandmarkte Subventionen für fossile Energie als «Inbegriff des Irrsinns».
Die Industriestaaten müssten «in den nächsten Stunden» den Entwicklungsländern Hilfen zusagen für die in der Klimakrise «notwendigen Veränderungen», sagte Johnson. Dieser Forderung verlieh auch ein Protestzug durch die Konferenzräume aus mehr als 100 Indigenen und anderen Demonstranten Nachdruck.
Eine Verbesserung im überarbeiteten Entwurf für die COP26-Rahmenentscheidung sah Oxfam-Experte Jan Kowalzig in dem Aufruf an die Industrieländer, ihre Hilfen für ärmere Länder für die Anpassung an den Klimawandel zu verdoppeln. Da dies nun bis 2025 gefordert werde, sei dieser Appell «nicht mehr leere Hülle».
In dem Entwurf der COP26-Entscheidung wurde der Aufruf zum Ausstieg aus der Kohle aber mit dem Zusatz «ohne CO2-Abscheidung» abgeschwächt. Kohlekraftwerke mit Technologien zum Abfangen von klimaschädlichem Kohlendioxid sind damit anders als in dem ersten Entwurf vom Mittwoch ausgenommen.
Bei dem Appell an die Staaten, ihre Förderung für alle fossilen Energieträger einzustellen, wurde nun eingeschränkt, dass damit «ineffiziente» Subventionen gemeint sind. Kerry forderte in Glasgow, Subventionen für fossile Energien müssten «aufhören».
Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals kritisierte, jedes Land könne «effiziente Subventionen» selbst definieren. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, sagte der «Rheinischen Post»: «Klar ist: Es gibt keine effizienten Subventionen solcher Energieträger, alle sind ineffizient.»
Einen Fortschritt sahen Beobachter aber dennoch auch bei den abgeschwächten Formulierungen: Im 2015 geschlossenen Pariser Klimaabkommen waren die fossilen Energien nicht als Haupttreiber der Erderwärmung benannt worden.
Weiter enthalten in dem Entscheidungstext ist auch der Aufruf an die Staaten, ihre nationalen Klimaschutzziele (NDCs) öfter als bislang geplant zu überprüfen. Bereits bis kommendes Jahr sollen sie demnach ihre NDCs auf den Prüfstand stellen - drei Jahre früher als bislang vorgesehen. Dabei wurde in der überarbeiteten Textfassung allerdings eingefügt, dass dabei jeweils «die besonderen nationalen Umstände» zu berücksichtigen seien.
Mit der häufigeren NDC-Überprüfung soll das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in Reichweite gehalten werden. Derzeit steuert die Erde nach UN-Angaben auf eine gefährliche Erwärmung um 2,7 Grad zu.
Im Pariser Abkommen ist eine Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad vorgesehen. In der zur Verhandlung stehenden COP26-Rahmenentscheidung werden die 1,5 Grad als Zielmarke gestärkt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte dies als einen der Erfolge der COP26.
Die Umweltschutzorganisation WWF erklärte, der überarbeitete Entwurf bewege sich «in Schlüssel-Bereichen rückwärts». Dass die Formulierungen zu fossiler Energie nicht entfallen seien, sei zwar «ein wichtiges Signal», die Einschränkungen müssten aber wieder gestrichen werden. Ausserdem sei der Beschlusstext «nicht auf Linie mit den 1,5 Grad».
Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser warnte, ohne Nachschärfungen bei fossilen Energien und robuste Regeln für Kohlenstoffmärkte werde Glasgow «eine gefährliche Luftnummer». Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisierte, nichts von den bisherigen Vereinbarungen in Glasgow entspreche «dem Zeitdruck, dem ökologischen und auch humanitären Druck, unter dem wir stehen».
Dass die Zeit drängt, demonstrierte Vize-EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans den Delegierten eindringlich, indem er vor dem Konferenzplenum sein Mobiltelefon mit einem Bild seines einjährigen Enkels hochhielt. «Wenn wir scheitern - und ich meine jetzt, in den nächsten Jahren - wird er mit anderen Menschen um Wasser und Nahrung kämpfen. Das ist die harte Realität, mit der wir konfrontiert sind.»