Nobelpreis für deutschen Klimaforscher
Aktuell scheint die Klimakrise so präsent wie nie - doch vor der Erderwärmung warnen Forscher schon seit Jahrzehnten. Drei von ihnen werden nun mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenige Wochen vor der Weltklimakonferenz in Glasgow werden ein deutscher Meteorologe und zwei weitere Wissenschaftler für ihre Beiträge zur Erforschung des Klimas und anderer komplexer Systeme mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.
Klaus Hasselmann teilt sich eine Hälfte des Preises mit dem in Japan geborenen US-Amerikaner Syukuro Manabe, die andere Hälfte geht an den Italiener Giorgio Parisi. Ihre Arbeiten hätten entscheidend zum Verständnis komplexer physikalischer Systeme wie dem Klima beigetragen, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm zur Begründung mit.
Der 1931 in Hamburg geborene Hasselmann ist Gründungsdirektor des dortigen Max-Planck-Instituts (MPI) für Meteorologie und immer noch in dem Institut tätig. Ein von ihm in den 1970er Jahren entwickeltes Modell habe verdeutlicht, dass Klimamodelle verlässlich sein könnten, obwohl sich das Wetter selbst chaotisch verhalte, schreibt das Nobel-Komitee. Er entwickelte zudem Methoden, die es ermöglichten, Spuren menschlicher Aktivitäten im Klima nachzuweisen und diese von natürlichen Effekten zu unterscheiden.
Manabes Arbeiten Grundlage für Klimamodelle
Der ebenfalls 1931 in Japan geborene Manabe forscht an der Princeton University in den USA. Er habe unter anderem gezeigt, dass ein erhöhter Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre einen Anstieg der Temperatur an der Erdoberfläche zur Folge habe, erläutert das Komitee. Seine Arbeiten seien grundlegend für die Entwicklung der gegenwärtigen Klimamodelle gewesen.
Der dritte Preisträger, der Physiker Giorgio Parisi, wurde 1948 in Rom geboren und forscht an der dortigen Sapienza Universität. Er untersucht versteckte Muster in scheinbar ungeordneten Systemen und arbeitet an ihrer mathematischen Beschreibung - zunächst etwa am Verhalten von Eisen-Atomen in einem Netzwerk aus Kupfer-Atomen. Seine Entdeckungen «ermöglichen das Verständnis und die Beschreibung vieler verschiedener und scheinbar völlig zufälliger Materialien und Phänomene, nicht nur in der Physik, sondern auch in anderen, sehr verschiedenen Bereichen, wie Mathematik, Biologie, Neurowissenschaften und maschinelles Lernen», so das Komitee.
Manabe und Hasselmann hätten im Geiste von Alfred Nobel zum grössten Nutzen für die Menschheit beigetragen, indem sie eine solide physikalische Grundlage für unser Wissen über das Erdklima geschaffen hätten, begründet das Komitee seine Entscheidung. «Wir können nicht mehr sagen, wir hätten es nicht gewusst - die Klimamodelle sind eindeutig. Erwärmt sich die Erde? Ja. Ist die Ursache dafür die erhöhte Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre? Ja. Kann dies allein durch natürliche Faktoren erklärt werden? Nein. Sind die Emissionen der Menschheit der Grund für den Temperaturanstieg? Ja.»
Entscheidende Beiträge
«Hätte es die beiden nicht gegeben, wären wir heute nicht so weit beim Klimaschutz», sagte Klimaforscher Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, der bei Hasselmann Doktorand war. Allerdings heisse die öffentliche Aufmerksamkeit für das Klima nicht, dass wir ausreichend handelten. «Die haben die Grundlagen dafür gelegt, dass der Klimawandel von der Politik aufgegriffen worden ist.»
Diese Einschätzung teilt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. «Er hat uns die Grundlagen gegeben für eine wissenschaftsbasierte Politik. Hasselmann ist einer der wichtigsten Klimaforscher der Welt.»
Das Hamburger MPI für Meteorologie reagierte mit einem Smiley-Sturm auf die Bekanntgabe «seines» Preisträgers Hasselmann. «We are speechless» («Wir sind sprachlos»), twitterte das Institut.
Während der Klimawandel erst in den vergangenen Jahren in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wird, wies Hasselmann bereits vor Jahrzehnten auf die drohenden Folgen hin. Nur mit «drakonischen Massnahmen» zur weltweiten Verringerung des Ausstosses von Kohlendioxid könnten der globale Temperaturanstieg und die damit zusammenhängenden Veränderungen noch vermieden werden, sagte der Wissenschaftler etwa 1992 auf einer Veranstaltung.
Man könnte etwas gegen den Klimawandel tun
«Wir warnen seit etwa 50 Jahren vor dem Klimawandel», sagte Hasselmann einem Vertreter der Nobel-Organisatoren. Man könne etwas dagegen tun. Eines der grossen Probleme sei, dass man heute auf etwas reagieren müsse, das in 20 bis 30 Jahren passieren werde. Hasselmann, der von seiner Frau mit «Klaus, kommst du mal?» ans Telefon gerufen wurde, gab an, von der Auszeichnung «völlig überrascht» worden zu sein. «Das war absolut wie ein Blitz aus heiterem Himmel.»
«Ich las gerade Zeitung und dann kam dieser Anruf. Ich dachte, ich träume», sagte Hasselmann der Deutschen Presse-Agentur. Ende der 70er-Jahre habe er sich die Frage gestellt, «kann man wirklich nachweisen, dass der Mensch das Klima schon geändert hat oder sind das natürliche Klimaschwankungen?» Den Beweis habe er mit seinen Modellen erbracht. Er freue sich über die jungen Menschen von Fridays for Future. «Sie haben einen Weg gefunden, die Öffentlichkeit anzusprechen, den wir als Wissenschaftler nicht gefunden haben.» Noch sei er optimistisch. «Ich hoffe, dass man allmählich jetzt wegkommt von den Treibhausgasen und hinkommt zu natürlichen Formen der Energieerzeugung, ohne dass es zu grosse Nachteile für die Wirtschaft gibt.»
Bundespräsident gratuliert
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte Hasselmann und mahnte zugleich: «Ihre Erkenntnisse zeigen uns, dass wir Menschen es sind, die den Klimawandel beschleunigen – und dass wir Menschen ihn aufhalten müssen.»
«Ohne Herrn Hasselmanns Arbeit hätte es das Pariser Klimaabkommen nie geben können», sagte der heutige Direktor des MPI für Meteorologie, Jochem Marotzke.
Kollegen lobten Hasselmanns Einsatz für den wissenschaftlichen Nachwuchs. «Hasselmann ist ein Ausnahmewissenschaftler, der das nie raushängen liess. Er war immer bodenständig. Er hat junge Menschen wie mich gefördert», sagte Latif. Eine «unglaubliche Neugier und Offenheit» bescheinigte auch Johanna Baehr vom Institut für Meereskunde der Universität Hamburg dem heute 89-Jährigen.
Die bedeutendste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt zehn Millionen Kronen (rund 980 000 Euro) dotiert. Im vergangenen Jahr hatte ebenfalls ein Deutscher den Preis erhalten. Reinhard Genzel war an der Entdeckung des supermassereichen Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstrasse beteiligt.
Am Montag war der Nobelpreis für Medizin David Julius (USA) und dem im Libanon geborenen Forscher Ardem Patapoutian für Arbeiten zum Temperatur- und Tastsinn zugesprochen worden. Am Mittwoch werden die Träger des Chemie-Nobelpreises verkündet. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedens-Nobelpreis. Der Reigen endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreis.
Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäss am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.