Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch über die Zukunft der FPÖ

Brendan Bühler
Brendan Bühler

Österreich,

Der Ibiza-Skandal hat Österreich erschüttert. Die halbe Regierung wurde ersetzt, die FPÖ hat sich verabschiedet. Doch wie geht es weiter mit der Partei?

Kurz ÖVP FPÖ
Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, spricht nach der Vereidigung der neuen Minister im Bundeskanzleramt. - DPA

Das Wichtigste in Kürze

  • Die FPÖ ist infolge des Ibiza-Skandals aus der österreichischen Regierung ausgetreten.
  • Am Montag muss sich Kanzler Kurz einer Misstrauensabstimmung stellen.

Österreich ist im Ausnahmezustand. Wegen des Ibiza-Videos trat die halbe Regierung zurück, am Montag kommt es gar zu einer Misstrauensabstimmung gegen den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen Österreichischen Volkspartei.

Im Fokus des Ibiza-Videos steht die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und Heinz-Christian Strache. Reinhard Heinisch von der Universität Salzburg forscht zu europäischem Rechtspopulismus und hat die FPÖ genauer untersucht.

Nau.ch: Überrascht es Sie, dass es gerade bei der FPÖ zu solch einem Skandal gekommen ist?

Reinhard Heinisch: Nein, überhaupt nicht. Eine Partei wie die FPÖ ist als Anti-System-Partei konzipiert. Damit ist die Partei nicht als regierungsfähige Partei aufgestellt. Ein entscheidender Punkt ist die Qualität der Personen. Diese sorgen zwar für den Erfolg der FPÖ in Opposition, sind jedoch wenig für Regierungsarbeit geeignet.

Reinhard Heinisch FPÖ Österreich
Reinhard Heinisch Leiter der Abteilung Politikwissenschaft an der Universität Salzburg. - zVg

Nau.ch: Können Sie das erklären?

Heinisch: Die Personalstruktur ist seit jeher schwierig. Es ist jetzt das vierte Mal, dass die FPÖ vorzeitig aus der Regierung scheidet. Dem populistischen und anti-establishment Teil der FPÖ fehlt es an Expertise. Der teilweise sehr rechte und nationalistische andere Teil der FPÖ, der sich aus akademischen Verbindungen, sogenannten Burschenschaften rekrutiert, fällt immer wieder durch rassistische und extremistische Aussagen und Vorfälle auf.

Nau.ch: Und was ist mit Heinz-Christian Strache?

Heinisch: Strache, der im Zentrum des Skandals steht, hat eine Schlüsselfunktion. Er bildete die Brücke zwischen dem radikalen Flügel und dem moderaten Teil. Er konnte durch seine Biografie und sein Handeln beide Teile der FPÖ vereinen. Doch nun wurde er selber zu einer extremen Belastung und ist über diesen Vorfall gestolpert.

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Heinz-Christian Strache, Österreichs damaliger Vizekanzler und FPÖ-Obmann, gibt eine Pressekonferenz. - dpa

Nau.ch: In dem Video werden Aussagen getätigt, die nicht von einem hohen Demokratiewillen zeugen. Ist die FPÖ antidemokratisch?

Heinisch: Es ist eine populistische Partei, die gegen die liberale Demokratie ist. Die Partei zielt auf eine autoritäre Demokratie ohne Kontrollinstanzen ab. Dabei steht der Gedanke im Vordergrund, dass das Volk immer recht hat. Dazu braucht es nach der FPÖ eine starke Führungsfigur, die das Volk mobilisiert. Dies ist im Prinzip keine antidemokratische Idee, jedoch entstehen aus Parteien in Machtpositionen ohne Kontrolle mit der Zeit autoritäre Systeme. Gerade der nun abgesetzte Innenminister Kickl hat Praktiken verfolgt, die an die autoritären Tendenzen in Ungarn erinnern.

Nau.ch: Inwiefern?

Heinisch: Es gab den begründeten Verdacht, dass der Minister sich in Ermittlungen gegen rechtsextreme Gruppen eingemischt habe oder dass aus seinem Ministerium geheimdienstliche Informationen an die Russen weitergeleitet wurden. FPÖ-Politiker haben auch dem staatlichen Rundfunk und Redakteuren mit Konsequenzen ob ihrer Berichterstattung gedroht. Diese Verknüpfung von Parteiideologie und Staat ist für Österreich ungewöhnlich. Die FPÖ hat damit die Grenzen ausgereizt.

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Alexander Van der Bellen, Bundespräsident von Österreich, schüttelt die Hand von Juliane Bogner-Strauss (ÖVP), neu ernannte Ministerin für Sport und öffentlicher Dienst für Österreich, bei der Vereidigung der neuen Minister in der Präsidentschaftskanzlei. - DPA

Nau.ch: Ist die Brisanz der FPÖ-Aussagen im Video bei der Bevölkerung angekommen?

Heinisch: Eindeutig. Aber viel wichtiger ist, was in den kommenden Tagen und Wochen bis zur Wahl im September herauskommt. Wenn etwa – eine reine Hypothese – ein Geheimdienst hinter dem Video steckt, könnte sich alles ganz schnell ändern. Zudem kann es zwischen den eher moderaten und radikalen Flügeln zum Konflikt kommen. Eine Aufspaltung wäre möglich, aber weniger wahrscheinlich als 2005. Damals spaltete sich die Partei tatsächlich.

Nau.ch: Und wie ist die FPÖ dann wieder zurückgekommen?

Heinisch: Zuerst orientierte sich die Partei jeweils nach rechts – zur harten Basis. Der rechte Kern ist fundamental für die Partei. In einem nächsten Schritt orientierte man sich dann wieder zurück zur Mitte beziehungsweise zum Mainstream. Demnach könnte sich die Partei wieder sammeln. Je nachdem, was noch herauskommt, könnte die FPÖ stärker aus dem Skandal herauskommen, als es momentan den Anschein hat. Die FPÖ wurde immer unterschätzt.

vengaboys
In dem Gespräch übersetzt der jetzige Fraktionschef der FPÖ Johann Gudenus (l) die Ausführungen Straches ins Russische. Auf dem Video ist zu sehen, wie sich Strache mit einer Frau über die Möglichkeiten der Einflussnahme auf den bevorstehenden Wahlkampf sprechen. - Spiegel/Süddeutsche Zeitung/dpa

Nau.ch: Warum ist gerade dieser Skandal so gross für die FPÖ?

Heinisch: Vielen ÖVPlern gingen die Aussagen im Video definitiv zu weit. In ihren Augen ist die FPÖ klar zu radikal und in Sachen Regierungsfähigkeit als Partner zu unverlässlich. Dass Kanzler Kurz sich nicht erklärt hat, war ein weiterer Grund, dass wir nicht ganz genau wissen, warum er die Koalition gerade jetzt beendet hat. Wahrscheinlich hat die lange Kette der FPÖ-Skandale das Fass nun zum Überlaufen gebracht – für viele Christdemokraten ist eine Koalition nicht möglich. Die FPÖ konnte zudem die Skandale nie wirklich bereinigen. Jetzt könnte auch die ÖVP versuchen, die FPÖ aufzubrechen. Der moderate Teil der FPÖ könnte durchaus zur ÖVP abwandern. Dieser macht um die 10 Prozent der 26 Prozent der FPÖ-Wähler aus. Kurz bemüht sich um die.

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