Opposition

Belarussische Behörden gehen gegen Opposition vor

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Weissrussland,

Die autoritäre Staatsführung in Minsk zieht die Daumenschrauben an. Bei Demonstrationen gibt es wieder Hunderte Festnahmen. Und von einer prominenten Oppositionellen fehlt zu Wochenbeginn jede Spur.

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Uniformierte Sicherheitskräfte stehen in Minsk mit der belarussischen Staatsflagge hinter Stacheldraht. Foto: Uncredited/Tut.by/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach neuen Massenprotesten in Belarus (Weissrussland) gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko steigt der Druck auf die Opposition.

Am Montag verschwand Maria Kolesnikowa, eine der wichtigsten Anführerinnen der Demokratiebewegung.

Der Koordinierungsrat der Zivilgesellschaft ging davon aus, dass die 38-Jährige entführt wurde. Kolesnikowas Familienangehörigen gaben eine Vermisstenanzeige bei der Polizei auf, wie das Team des Ex-Bankenchefs Viktor Babariko mitteilte. Kolesnikowa arbeitet für den inhaftierten Oppositionellen, der gegen Lukaschenko kandidieren wollte.

«Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt», teilte der Koordinierungsrat mit. Sie sei zusammen mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow im Zentrum von Minsk von Unbekannten entführt worden. Die Behörden erklärten, nichts von dem Verschwinden zu wissen.

Bundesaussenminister Heiko Maas reagierte mit deutlicher Kritik auf die Verhaftungen in Belarus. «Wir sind in grosser Sorge um Frau Kolesnikowa. Wir fordern Klarheit um den Verbleib und die Freilassung aller politischer Gefangener in Belarus», sagte der SPD-Politiker der «Bild»-Zeitung. «Die fortgesetzten Verhaftungen und Repressionen, auch und vor allem gegen die Mitglieder des Koordinierungsrates, sind nicht hinnehmbar.»

Die 38-jährige Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart wohnte und dort Kulturprojekte managte, ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen Lukaschenko stellen. Einige Mitarbeiter des Koordinierungsrates waren zuvor schon festgenommen worden oder ausgereist. Die nach der Wahl nach Litauen geflüchtete Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowaskaja sprach von einem Versuch der Staatsführung, die Arbeit des Koordinierungsrates zu behindern. «Aber das wird uns nicht aufhalten», schrieb sie im Nachrichtenkanal Telegram. Tichanowskajas Vertraute Olga Kowalkowa war nach einer Haftstrafe nach Polen ausgereist.

Seit mehr als vier Wochen wird in dem zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegenen Land täglich demonstriert. Die Behörden gehen gezielt gegen Oppositionelle vor. Hintergrund ist die Präsidentenwahl am 9. August. Lukaschenko hatte sich danach mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik.

«Wir sehen, dass die Behörden in den vergangenen Tagen begonnen haben, Terrormethoden offen anzuwenden, statt einen Dialog mit der Gesellschaft aufzunehmen», teilte der Koordinierungsrat bei Telegram mit. Die Demokratiebewegung fordert den Rücktritt von «Europas letztem Diktator», wie Lukaschenko genannt wird. Sie will die Freilassung der politischen Gefangenen sowie faire und freie Wahlen.

Die EU zeigte sich alarmiert. «Wir versuchen, die Fakten zu ermitteln», sagte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell. Man sei zutiefst besorgt über die anhaltende Repression und Einschüchterung der Bevölkerung durch willkürliche oder politisch motivierte Festnahmen. «Was wir in Belarus erleben, ist im Grunde die fortgesetzte Repression der Behörden gegen die Zivilbevölkerung, gegen friedliche Demonstranten, politische Aktivisten, Menschen, die ihre Meinung äussern und ihre Stimme hören wollen.» Am Montagabend schloss sich die EU der Forderung von Maas an und drang ebenfalls auf die sofortige Freilassung Oppositioneller.

Litauens Aussenminister Linas Linkevicius machte die Staatsführung in Minsk für Kolesnikowas Verschwinden verantwortlich und forderte ihre sofortige Freilassung. «Die Entführung von M. Kolesnikowa in der Innenstadt von Minsk ist eine Schande», schrieb Linkevicius auf Twitter. «Anstatt mit dem Volk von Belarus zu sprechen, versucht die scheidende Führung, einen nach dem anderen zynisch zu eliminieren». Dies erinnere an stalinistische Methoden.

Unterdessen gingen die Proteste in die fünfte Woche. Vor allem an den Universitäten gab es viele Aktionen. Auf Fotos waren Studenten in einem Hörsaal mit T-Shirts in den Farben der historischen weiss-rot-weissen Landesflagge zu sehen, die bei Protesten der Opposition gezeigt wird. Es gab wieder einzelne Festnahmen.

Bei der Massendemonstration am Sonntag kamen dem Innenministerium zufolge mehr als 600 Menschen in Polizeigewahrsam. Nur knapp die Hälfte sei wieder freigelassen worden. Beobachter gingen von rund 100.000 Teilnehmern aus. Die Behörden sprachen von 30.000 Menschen

Angesichts der festgefahrenen Lage will der Koordinierungsrat der Opposition mit der EU im Gespräch bleiben. «Wir werden auch Kontakte zu Russland und Amerika aufnehmen», sagte Pawel Latuschko bei einer Pressekonferenz in Warschau. Der frühere Kulturminister war in der vergangenen Woche nach Polen ausgereist.

Er sagte nun, er habe das Land auf Druck des Geheimdienstes KGB verlassen. «Ich erhielt ein Ultimatum: Entweder ich bleibe im Land und es wird ein Strafverfahren gegen mich eingeleitet, oder ich verlasse Belarus.» Er wolle aber weder in Polen noch in einem anderen EU-Land Asyl beantragten. «Ich gehe davon aus, dass ich bald wieder nach Belarus zurückkehren kann.» In der vergangenen Woche gab er den Besuch eines Wirtschaftsforums in Polen als Grund an.

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