Proteste in Spanien nach Verlängerung des Notstands
In Spanien beschloss die linke Regierung eine Verlängerung des Notstands. Dies geschieht bereits zum fünften Mal. Die Stimmung der Bevölkerung droht zu kippen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Spanien verlängerte die linke Regierung zum fünften Mal den Notstand.
- Die Stimmung in der Bevölkerung droht zu kippen.
- Die Proteste der Lockdown-Gegner könnten jederzeit eskalieren.
Im Corona-Hotspot Spanien ist der Lockdown trotz heftigen Widerstands der Opposition und zunehmender Proteste verärgerter Bürger zum fünften Mal verlängert worden. Das Parlament in Madrid nahm einen entsprechenden Antrag der linken Regierung am Mittwochabend mit knapper Mehrheit an. Der bereits seit Mitte März geltende Alarmzustand samt strenger Ausgehbeschränkungen wird nach dieser Entscheidung mindestens bis 24.00 Uhr am 6. Juni anhalten.
Lautstarke Proteste gegen die Verlängerung
Nur kurz nach der Abstimmung gingen Lockdown-Kritiker und Gegner der Regierung in Madrid und anderen Städten an die Fenster, auf die Balkone und zum Teil auch auf die Strassen, um lautstark zu protestieren. Sie machten ihrem Ärger Luft, indem sie auf Töpfe schlugen und «Freiheit, Freiheit!» skandierten. Viele schwenkten spanische Fahnen, andere waren in die Landesflagge gehüllt.
Die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez wollte den «Estado de alarma», die dritthöchste Notstandsstufe des Landes, eigentlich gleich um einen ganzen Monat verlängern lassen. Dafür bekam sie aber nicht genug Unterstützung. Am Dienstag wurde aber mit der liberalen Partei Ciudadanos am Vorabend der Abstimmung ein Kompromiss über eine zweiwöchige Verlängerung erzielt.
Die Unterstützung der Abgeordneten der Liberalen, die der Regierung überhaupt nicht nahestehen, die aber nach einem Rechtsruck und dem Wahldebakel Ende 2019 sich nun als Vertreter der politischen Mitte zu profilieren versuchen, und kleinerer Parteien (darunter der baskischen Nationalisten) erwies sich am Ende als entscheidend: Die Abstimmung wurde nur mit 177 zu 162 Stimmen gewonnen, das bei weitem knappste Ergebnis einer Notstandsverlängerung bisher. Sánchez bedankte sich auf Twitter und beteuerte, man habe «nur ein einziges Ziel: Weiterhin Menschenleben retten.»
Aufhebung wäre «grob unverantwortlich»
In seiner Rechtfertigungsrede hatte Sánchez die scharfe Kritik der Abgeordneten der konservativen Opposition, der Rechtspopulisten von Vox und einiger Regionalparteien zurückgewiesen. «Niemand hat das Recht, das, was wir erreicht haben, leichtfertig zu verspielen.» Den Notstand aufzuheben wäre «grob unverantwortlich», betonte er.
Die stärkste Oppositionsfraktion, die konservative Volkspartei PP, votierte zum ersten Mal gegen eine neue Verlängerung. Nicht nur sie wirft Sánchez unter anderem vor, den Notstand zu missbrauchen, um sich der Kontrolle durch die Opposition zu entziehen. Zudem werde durch den Lockdown die Wirtschaft des Landes zerstört, heisst es.
Seit eineinhalb Wochen nehmen die Proteste der Lockdown-Kritiker zu. Dabei demonstrieren Hunderte zum Teil auch dicht gedrängt auf den Strassen und verletzten das Versammlungsverbot. Nun drohe eine Eskalation der Proteste, meinen Beobachter.
Nur im Rahmen des Alarmzustands darf die Regierung in Spanien die Rechte der Bürger im ganzen Land stark einschränken. Es gilt zum Beispiel eine strikte Ausgehsperre, die erst seit kurzer Zeit schrittweise gelockert wird. Die Grenzen sollen für ausländische Touristen frühestens Ende Juni geöffnet werden.
Schutzmasken-Pflicht in allen öffentlichen Räumen
Es gibt aber auch Verschärfungen der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie: Ab Donnerstag muss man in Spanien in allen öffentlichen Räumen, also etwa auch in Geschäften, Schutzmaske tragen.
Die Pflicht gilt auch im Freien, «wenn der minimale Sicherheitsabstand von zwei Metern nicht gewährleistet werden kann», wie es in dem am Dienstagabend veröffentlichten Dekret heisst. Bisher galt in Spanien eine Schutzmaskenpflicht nur im öffentlichen Nahverkehr. Von der Pflicht sind kleine Kinder bis fünf Jahre ausgenommen.
Mit mehr als 230 000 Infektionsfällen und fast 28 000 Toten ist Spanien eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder der Welt. Die Zahlen werden aber seit Wochen immer besser. Die der neuverzeichneten Todesfälle war am Mittwoch am vierten Tag in Folge nur noch zweistellig. Der Rückgang sei «grösser als in anderen Länder wie etwa Italien», sagte Gesundheitsminister Salvador Illa.