«Sea-Watch 4» übernimmt Migranten von «Louise Michel»
Lange reagierten die Behörden nicht auf die Hilferufe der «Louise Michel» im Mittelmeer. Dann übernehmen die italienische Küstenwache und die «Sea-Watch 4» zahlreiche Migranten. Der Künstler Banksy kritisiert die EU scharf. Es gibt aber auch Widerstand.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach Hilferufen der «Louise Michel» haben die italienische Küstenwache und die «Sea-Watch 4» Migranten von dem Rettungsschiff im Mittelmeer aufgenommen.
Zunächst wechselten am Samstag 49 Menschen auf ein Patrouillenschiff der Küstenwache, später übernahm das Rettungsschiff «Sea-Watch 4» rund 150 Menschen, wie die Behörde und die Organisation Sea-Watch jeweils mitteilten. Auf der «Sea-Watch 4» seien nun rund 350 Personen, «die so schnell wie möglich in einem sicheren Hafen an Land gelassen werden müssen», schrieb die Organisation.
Unterdessen regte sich im Süden Italiens erneut Widerstand gegen die in grösserer Anzahl dort eintreffenden Migranten. Der Streetart-Künstler Banksy bezog in einem neuen Video klare Position und bekräftigte seine Unterstützung für die «Louise Michel».
Die Besatzung der unter deutscher Flagge fahrenden «Louise Michel» hatte am Freitagabend um Hilfe gebeten. Das Schiff befand sich südöstlich der italienischen Insel Lampedusa, als es sich nach Angaben der Besatzung nicht mehr sicher fortbewegen konnte. Eine zehnköpfige Besatzung kümmerte sich demnach zeitweise um 219 Menschen an Bord des Schiffes, die auf See aufgenommen worden waren. 89 waren am Donnerstag gerettet worden, 130 weitere am Freitag. An Bord befand sich auch ein Toter, andere Migranten waren verletzt.
Die Behörden in Malta und Italien hatten nach Angaben der Besatzung der «Louise Michel» zunächst nicht auf Hilferufe reagiert. Auch Sea-Watch International hatte via Twitter um Hilfe gebeten. Italiens Küstenwache entsandte am Samstag schliesslich von Lampedusa aus ein Patrouillenschiff, das nach eigenen Angaben 32 Frauen, 13 Kinder und 4 Männer übernahm. Diese galten demnach als am stärksten gefährdet. Auch der Tote wurde von der «Louise Michel» geholt.
Später traf die «Sea-Watch 4» ein, die die verbleibenden Migranten aufnahm. Das Team an Bord behandelte nach eigenen Angaben viele von ihnen unter anderem wegen Unterkühlung und verschiedenen Verletzungen.
Erst kürzlich war bekannt geworden, dass der geheimnisumwitterte Streetart-Künstler Banksy das Rettungsschiff «Louise Michel» unterstützt. «Er hat das Schiff finanziert und bemalt», hatte die Sprecherin einer Organisation, die eine eigene Website zur «Louise Michel» erstellt hat, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur bestätigt. Wer der Besitzer des Schiffes ist, wollte die Sprecherin nicht sagen.
In einem neuen Video auf Instagram kritisierte der Künstler den Umgang der EU mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. «Wie die meisten Menschen, die es zu etwas in der Kunstwelt gebracht haben, habe ich eine Yacht gekauft, um auf dem Mittelmeer herumzukreuzen», ist mit ironischem Unterton in den Untertiteln des knapp einminütigen Videos zu lesen.
Der Zusammenschnitt zeigt Fotos und Videosequenzen, die unter anderem die «Louise Michel» und schwarze Migranten im Wasser zeigen. Auf dem rosa bemalten Schiff ist auf einer Schiffswand ein Kunstwerk Banksys zu sehen: ein Mädchen mit Schwimmweste und einem herzförmigen Rettungsring. «Es ist ein Schiff der französischen Marine, das wir in ein Rettungsboot umgebaut haben, weil die EU-Behörden Notrufe von «Nicht-Europäern» absichtlich ignorieren», hiess es. Das Video endet in Anlehnung an die Bewegung «Black Lives Matter» mit der Aufschrift: «All Black Lives Matter» (etwa: Alle schwarzen Leben zählen).
Auch internationale Organisationen forderten ein Einlenken der Behörden. Den Migranten auf den Rettungsschiffen im Mittelmeer müsse es gestattet werden, sofort an Land zu gehen, hiess es in einer gemeinsamen Mitteilung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. «Das Fehlen einer Übereinkunft über einen regionalen Ausschiffungsmechanismus, der seit langem von UNHCR und IOM gefordert wird, ist keine Entschuldigung dafür, gefährdeten Menschen einen sicheren Hafen und die benötigte Hilfe zu verweigern, wie es das Völkerrecht vorschreibt.»
Lampedusa verzeichnet unterdessen eine steigende Anzahl Bootsmigranten aus Nordafrika. In der Nacht zum Sonntag traf Medienberichten zufolge ein Fischerboot mit rund 450 Migranten auf der etwa 20 Quadratkilometer grossen Insel ein. Bürgermeister Toto Martello rief zu einem Streik auf und forderte die Regierung von Ministerpräsidenten Giuseppe Conte erneut zum Handeln auf. Marineschiffe sollten Boote mit Migranten abfangen und aus Lampedusa herausbringen, da das örtliche Aufnahmezentrum «über alle Grenzen hinaus voll» sei.
In Italien gingen die Zahlen der in Booten ankommenden Migranten in diesem Sommer stark in die Höhe. Die Menschen fahren sowohl von Libyen als auch von Tunesien aus los. Viele Tunesier verlassen ihr Land, weil es unter einer Wirtschaftskrise leidet. In Süditalien sorgen die steigenden Zahlen zunehmend für Widerstand in den Ankunftsorten. Die Regierungen in Italien und Malta stellten den Seenotrettern zuletzt oft hohe Hürden in den Weg. Zugleich wiesen sie - häufig nach längerem Warten - sichere Häfen zu.