Sagt man Weissrussland oder Belarus?
Am 9. August finden die Präsidentschaftswahlen in Weissrussland statt. Die Namensgebung des osteuropäischen Landes ist bis heute unklar.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 9. August finden die Präsidentschaftswahlen in Weissrussland statt.
- Bei der korrekten Namensgebung ist man sich bis heute im Unklaren.
- Das Land wurde im Jahre 1991 von der Sowjetunion unabhängig.
Wenn Alexander Lukaschenko am 9. August erwartungsgemäss die Präsidentschaftswahl gewinnen wird, wird man sich wieder fragen: Heisst sein Land nun Weissrussland oder Belarus?
Seit 1991 trägt die ehemalige «Weissrussische Sozialistische Sowjetrepublik» nämlich die offizielle Bezeichnung «Republik Belarus». Im deutschen Sprachraum hat sich diese Bezeichnung aber trotzdem noch nicht ganz durchgesetzt.
Gleiche Bedeutung?
Doch bedeuten die beiden Namen nicht schlicht das Gleiche? Immerhin geht die Bezeichnung der Region auf den seit dem Hochmittelalter belegten Namen «Weisser Rus» zurück.
Warum das Gebiet des heutigen Weissrussland überhaupt «weiss» genannt wurde, ist umstritten. Denn das Land war bis zum 18. Jahrhundert mit dem Grossfürstentum Litauen und dem Königreich Polen deutlich enger verbunden als mit Moskau.
«Weiss» als Synonym für «im Westen gelegen»
Am plausibelsten dürfte wohl der Gebrauch von «weiss» als Synonym für «im Westen gelegen» sein. In älteren deutschsprachigen Publikationen wurde die Region auch Weissruthenien oder Weissreussen genannt.
Zudem wurde diese Bezeichnung im Zweiten Weltkrieg durch die Verwendung in der NS-Verwaltung des «Reichskommissariats Ostland» als «Generalbezirk Weissruthenien» diskreditiert. Deshalb wird sie heute auch im historischen Kontext praktisch nicht mehr verwendet wird.
Mit der Eigenbezeichnung «Belarus» wurde im Zuge des nationalen Erwachens Ende des 19. Jahrhunderts auf einen Namen zurückgegriffen, der zwar schon seit dem Mittelalter als Kurzversion von «Bjelaja Rus» (Weisser Rus) existierte.
Für den Westen war demnach aufgrund der historischen Zugehörigkeit zum Grossfürstentum Litauen hingegen «Litwa» gebräuchlich. Erst mit der Verbreitung eines modernen weissrussischen ethnisch-nationalen Bewusstseins setzte sich der Eigenname «Belarus» im gesamten Gebiet durch.
Nach der Annexion durch das zaristische Russland 1795 wurde das Gebiet mit massiven Russifizierungsbestrebungen konfrontiert. Im russischen nationalen Denken galt «Weissrussland» lediglich als ein Teil Russlands.
Nationalbewusstsein in Weissrussland erst ab dem 20. Jahrhundert
Das Wiedererwachen von weissrussischer Sprache und Nationalbewusstsein ging daher erst relativ spät. Etwa um 1900, insbesondere von den Intellektuellen der unterdrückten katholischen Minderheit.
1918 wurde als erster unabhängiger weissrussischer Staat die sehr kurzlebige «Weissrussische Volksrepublik» unter deutscher Patronanz etabliert. Sie wurde jedoch bereits am 1. Januar 1919 durch die «Weissrussische Sozialistische Sowjetrepublik» ersetzt.
1945 wurden dann die bis dahin polnischen Gebiete der Sowjetunion zugeschlagen. Bei der Unabhängigkeit 1991 wurde indes der Name «Republik Belarus» festgesetzt und damit erstmals die Eigenbezeichnung als offizieller Ländername verankert.
«Letzte Diktatur Europas»
Seitdem hat sich Belarus international um eine Verankerung des Ländernamens «Belarus» im diplomatischen Gebrauch bemüht. Dies, trotz seiner prekären internationalen Position als «letzte Diktatur Europas» unter dem seit 1994 autoritär regierenden Lukaschenko.
Die Verwendung dieses Namens soll dem Missverständnis entgegenwirken, wonach das Land bloss ein Teil Russlands sei. Gleichzeitig haben Moskau und Minsk bereits im Jahr 2000 einen bilateralen Vertrag über die Errichtung eines gemeinsamen «Unionsstaates» geschlossen. Dessen Umsetzung stockt jedoch seit Jahren.
Englische Sprache verwendet nur noch «Belarus»
Das Bestreben um die allgemeine Verwendung von «Belarus» ist Minsk zumindest in englischer Sprache gelungen. Im deutschen Sprachraum ist die Situation zwiespältig: Während die Aussenministerien konsequent «Belarus» und «belarusisch» schreiben, ist in den Medien wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch weiterhin «Weissrussland» dominierend.