Viel Kritik am «Oster-Lockdown» - aber auch Lob

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Deutschland,

Nach der langen Corona-Nachtsitzung und den Oster-Lockdown-Beschlüssen müssen sich Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten viel Kritik anhören. Es gibt aber auch Lob.

„Lockdown Madness“ (Lockdown-Wahnsinn) steht in Berlin-Schöneberg an einer Hauswand. Foto: Christoph Soeder/dpa
„Lockdown Madness“ (Lockdown-Wahnsinn) steht in Berlin-Schöneberg an einer Hauswand. Foto: Christoph Soeder/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Oppositionspolitiker haben die Beschlüsse von Bund und Ländern zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise über Ostern scharf kritisiert.

Von «Willkür» und «Kopflosigkeit» war die Rede. Lob kam dagegen von Wissenschaftlern und Medizinern.

Unklar blieb am Tag nach der langen Nachtsitzung, wie einige der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder beschlossenen Massnahmen überhaupt umgesetzt werden sollen.

Merkel und die Länderchefs hatten vor dem Hintergrund steigender Corona-Zahlen nach zähen Verhandlungen am frühen Dienstagmorgen vereinbart, dass der allgemeine Lockdown in Deutschland bis zum 18. April verlängert werden soll. Ausserdem soll es von Gründonnerstag in der nächsten Woche bis einschliesslich Ostermontag zusätzliche Einschränkungen geben.

In diesem «Oster-Lockdown» wollen Bund und Länder den Gründonnerstag und den Karsamstag wie Sonn- und Feiertage behandeln. Das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben soll von Gründonnerstag bis Montag weitgehend ruhen. Nur wenige Ausnahmen für Lebensmitteleinkäufe werden möglich gemacht und Impf- und Testzentren sollen offen bleiben. «Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip: Wir bleiben zu Hause», sagte Merkel nach den Beratungen mit den Länderchefs.

Die Details werden vom Bund noch ausgearbeitet. Anschliessend müssen die Bundesländer alles wie immer in ihre jeweiligen Corona-Verordnungen übertragen. Die Regeln über Ostern könnten sich daher von Bundesland zu Bundesland auch wieder unterscheiden.

Grundsätzlich vorgesehen ist, dass es Verwandtenbesuche über die Feiertage nur im sehr kleinen Rahmen geben darf. Kirchen und Religionsgemeinschaften sollen Ostern möglichst auf Online-Veranstaltungen setzen. Gruppenansammlungen im Freien sollen untersagt werden und wo bereits Aussengastronomie offen ist, muss sie für die fünf Tage bis Ostermontag wieder geschlossen werden.

Osterurlaub im Inland fällt nach dem Willen von Bund und Ländern zudem aus. Hotels und andere Beherbergungsbetriebe sollen für Urlauber geschlossen bleiben, was in der deutschen Tourismusbranche für grossen Unmut sorgt. Urlaub auf Mallorca bleibt zwar weiter möglich. Bund und Länder appellieren aber an die Fluggesellschaften, keine zusätzlichen Flüge mehr für die Osterferien anzubieten. Zudem soll für alle Flüge aus dem Ausland nach Deutschland eine generelle Testpflicht vor Abflug eingeführt werden.

Begründet wurden die Massnahmen von der Bundesregierung und mehreren Ministerpräsidenten damit, dass sich Deutschland nun einer «neuen Pandemie» befinde. «Die Mutation Grossbritanniens hat die Mehrheit unter dem Virus übernommen. Das heisst, dass wir im Wesentlichen ein neues Virus haben, natürlich derselben Art, aber mit ganz anderen Eigenschaften, deutlich tödlicher, deutlich infektiöser, länger infektiöser», sagte Merkel. «Die Lage ist ernst, und sie wird noch sehr viel ernster werden», warnte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag in München.

Scharfe Kritik übte die Opposition im Bundestag an den Bund-Länder-Beschlüssen. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sprach von «Willkür» und «Kopflosigkeit». «Das Mass ist nun endgültig voll, die vollständige Einschränkung der Freiheit ist den Bürgern nicht länger zumutbar», schrieb Weidel auf ihrer Facebook-Seite. FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner sagte, «die Beschlüsse (...) atmen die vollständige Abkopplung von der Lebensrealität vieler Familien.» Es sei lebensfremd, dass beispielsweise geimpfte Grosseltern über Ostern nicht ihre Kinder und Enkel besuchen dürften.

Linke und Grüne gaben der Bundesregierung die Schuld daran, dass es nun erneut zu Verschärfungen kommt. «Der Oster-Lockdown ist wesentlich ein weil-es-die-Bundesregierung-vergeigt-hat-Lockdown», schrieb Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bei Twitter. Im Interview mit «Welt» sagte er, die Beschlüsse seien ein Ergebnis des Versagens sowohl beim Impfen als auch beim Testen. Die Bundesregierung habe das Land «in die Sackgasse geführt», sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Merkel warb um Rückendeckung für die Bund-Länder-Beschlüsse. Je geringer die Corona-Fallzahlen seien, umso schneller zeige die Impfung Wirkung, sagte sie am Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in einer teils online und teils in Präsenz organisierten Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Schon in der zweiten Aprilhälfte würden die Hausärzte mehr Impfstoffe als die Impfzentren haben. Es gebe Licht am Ende des Tunnels.

Lob gab es von einigen Wissenschaftlern und Medizinern. «Die Politik hat erkannt, dass wir in einer schwierigen Phase der Pandemie sind und die Impferfolge nicht gefährden dürfen», erklärte der Präsident der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx. Auch der Epidemiologe Dirk Brockmann vom Robert Koch-Institut (RKI) hält die Verschärfung der Corona-Massnahmen über Ostern für sinnvoll. «Das könnte nach meiner Ansicht einen sehr positiven Effekt haben, weil eine ganze Reihe von Tagen dann quasi Ruhetage sind, also Sonntage», sagte er im Deutschlandfunk.

Das RKI meldete am Dienstag 7485 Neuinfektionen binnen eines Tages, rund 2000 mehr als vor einer Woche. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 250 neue Todesfälle verzeichnet, ein Plus von 12. Der Inzidenzwert der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner stieg weiter und lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 108,1 - etwas höher als am Vortag (107,3).

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