Geht es um CO2-Emissionen, dreht sich die Diskussion schnell um Autos und Verkehr. Verschenkt, sagt der Chef der Bausparkasse Schwäbisch-Hall. In anderen Sektoren schlummere grösseres Potenzial. Er ist mit der Meinung nicht allein.
«Es wird weitgehend ausser Acht gelassen, welche grossen Potenziale andere Sektoren bei der Reduzierung der Umweltbelastung haben», sagt Schwäbisch-Hall-Chef Reinhard Klein. Foto: Marijan Murat
«Es wird weitgehend ausser Acht gelassen, welche grossen Potenziale andere Sektoren bei der Reduzierung der Umweltbelastung haben», sagt Schwäbisch-Hall-Chef Reinhard Klein. Foto: Marijan Murat - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Debatte um Energiesparen und die Senkung von CO2-Emissionen dreht sich nach Meinung des Chefs der grössten privaten Bausparkasse Deutschlands zu einseitig um den Verkehr.
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«Es wird weitgehend ausser Acht gelassen, welche grossen Potenziale andere Sektoren bei der Reduzierung der Umweltbelastung haben», sagte Schwäbisch-Hall-Chef Reinhard Klein der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere der Sanierung des Gebäudebestands komme bei der Klimawende angesichts der Einsparpotenziale eine Schlüsselrolle zu.

Zwar hat die Bausparkasse ein Interesse daran, wenn Menschen ihre Häuser sanieren. Denn ein Teil ihrer Kredite wird auch zur Renovierung eingesetzt. Allerdings ist der Bausparkassen-Chef nicht allein mit seiner Meinung: Ohne schnelle Massnahmen insbesondere im Gebäudebereich würden die Klimaziele der Bundesregierung nicht erreicht, heisst es in einem aktuellen Politik-Brief der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz, die von der Deutschen Energie-Agentur (Dena) koordiniert wird. «Nehmen wir die Ziele ernst, müssten im Gebäudesektor jährlich rund 5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.»

Mit 117 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent waren die Emissionen von Treibhausgasen im Gebäudebereich nach Schätzungen des Umweltbundesamtes 2018 nicht weit entfernt von denen im Verkehr mit 162 Millionen Tonnen. Bei den CO2-Äquivalenten werden alle Treibhausgase auf die Wirkung von CO2 umgerechnet und zusammengefasst. Nach Berechnungen der Dena entfallen 36 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland auf Gebäude und nur 30 Prozent auf den Verkehr.

Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnete im vergangenen Jahr wiederum vor, dass sich die Sanierung vor allem bei Wohngebäuden der Baujahre 1949 bis 1978 lohne. Sie machten rund 40 Prozent des Wohnungsbaubestands aus und hätten einen Primärenergiebedarf von 247 Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr - das sei fast sechsmal so viel wie der Bedarf von Neubauten.

Der Klimaplanschutzplan der Bundesregierung sieht allein bis 2030 eine Minderung der Emissionen um rund 50 Millionen Tonnen auf 70 bis 72 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten vor. Doch schon jetzt zeichnet sich nach Auskunft des Bundesumweltministeriums eine Lücke von 20 Millionen Tonnen ab. Noch in diesem Jahr soll deshalb ein Massnahmenbündel beschlossen werden, das unter anderem vom Wirtschafts- und vom Innenministerium erarbeitet werden soll. Die Beratungen der Bundesregierung dazu dauerten noch an, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Massnahmen müssten auch mit dem Ziel des bezahlbaren Wohnens und Bauens vereinbart werden.

Dabei wird der Ruf nach einer steuerlichen Förderung lauter. Die Dena rechnet vor, dass sich allein mit Hilfe von steuerlicher Sanierungsförderung jährlich 3,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen liessen. Ein breites Bündnis von 35 Verbänden hatte zuletzt gefordert, die energetische Gebäudesanierung steuerlich zu fördern. Das Vorhaben war schon mehrfach im Bundesrat gescheitert. Im Koalitionsvertrag nahmen Union und SPD einen neuen Anlauf. Dennoch tauchte das Instrument in den jüngst von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegten Haushaltsplänen nicht auf.

«Was momentan fehlt, sind klare und verbindliche Aussagen der Politik, ob die seit Jahren - unter anderem auch im Koalitionsvertrag - in Aussicht gestellten Abschreibungsmöglichkeiten kommen oder nicht», kritisierte auch Schwäbisch-Hall-Chef Klein. «Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Hausbesitzer eine energetische Sanierung aufschieben.» Nach Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft sank der Anteil der energetischen Sanierung an der gesamten Bauleistung an bestehenden Gebäuden in den vergangenen Jahren von 32,5 Prozent auf 28,2 Prozent.

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