Schweizer Segler angegriffen: Ist Corona schuld an Orca-Attacken?
Vorletzte Woche attackierten Orcas anderthalb Stunden lang eine Segeljacht eines Schweizer Skippers. Gibt es einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie?
Das Wichtigste in Kürze
- Drei Orcas versenkten vorletzte Woche die Jacht einer Schweizer Segelcrew.
- Experten rätseln, was die Schwertwale in letzter Zeit so aggressiv macht.
- Eine Theorie besagt, dass ihr Verhalten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie steht.
Vorletzte Woche griffen drei Orcas bei Gibraltar die Schweizer Segeljacht «Alboran Champagne» an. Das Schiff sank schliesslich, die Crew wurde gerettet.
Dass Schwertwale manchmal Boote attackieren, ist bekannt. Seit 2020 verzeichneten Seenotretter über 300 Orca-Attacken auf Segelschiffe, wie die «Bild» berichtet. In mindestens drei Fällen sei es den Schwertwalen gelungen, die Schiffe zu versenken.
Tiere der Population «Orca Iberica» seien jeweils daran beteiligt gewesen. Experten rätseln nun, was die Orcas so aggressiv macht.
Rache an Booten?
Eine Theorie sieht einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. «Während der Pandemie gab es weniger Segler und eine geringere Wahrscheinlichkeit für Begegnungen», erklärt Ulrich Karlowski, Biologe bei der Deutschen Stiftung Meeresschutz.
«Insgesamt war es entspannter für die Meerestiere, da es mehr Nahrung gab, da unter anderem die Fischerei stark eingeschränkt wurde.» Dass sich die Tiere jetzt an den zurückgekehrten Booten für die erneute Verringerung der Fischbestände «rächen» würden, sei eine Möglichkeit für vermehrte Interaktionen. «Muss es aber nicht sein», so der Biologe.
Während der Pandemie war der Lebensraum der Orcas zudem so leise wie noch nie in ihrem Leben: Es fuhren keine Kreuzfahrtschiffe, auch sonst wurde der Verkehr auf den Meeren auf ein Minimum reduziert. Könnte es den Schwertwalen nach den Lockdowns zu laut sein?
Zu viel Lärm könnte die Orcas stressen
«Wale und Delfine haben einen extrem feinen Hörsinn und nutzen einen Biosonar», erklärt Heike Zidowitz, Expertin für den Schutz mariner Arten beim WWF Deutschland. «Sie nutzen ihn, um sich zu orientieren und miteinander zu kommunizieren, Gefahren zu erkennen und Nahrung oder Partner zu finden.»
Der chronische Unterwasserlärm stresse die Tiere und mache sie krank. «Werden Lautäusserungen von Schiffsmotoren übertönt, haben Walmütter Schwierigkeiten, ihre Jungen zu finden. Auch die Futtersuche wird schwerer, je lauter es unter Wasser ist.»
Doch Meeresbiologe Fabian Ritter von der Walschutzorganisation WDC glaubt nicht, dass der Lärm schuld an den Angriffen auf Segelboote ist: «Warum sollten die Orcas an die Boote gehen, die am wenigsten Lärm machen?» Biologe Karlowski sieht es ähnlich: «Die Tiere sind diesen Lärm von Geburt an gewöhnt, die Strasse von Gibraltar etwa ist extrem stark befahren.»
Segelboote als Orca-Spielzeuge
Die beiden Experten glauben eher daran, dass die Orcas einfach nur spielen wollen. Denn: Die ersten Angriffe seien von «noch nicht ausgewachsene Rüpel-Orcas» ausgegangen. «Die sind jung und ungestüm, haben Humbug im Kopf, das ist wie bei uns Menschen. Und dann hat sich da etwas verselbständigt», glaubt Ritter.
Die Orcas hätten laut Karlowski gelernt, die Segelboote zum Stoppen zu bringen. Dieses Wissen werde nun an die Jungtiere weitergegeben.