Seit Genua-Drama stehen Sicherheit und Behörden unter Druck
Auch ein Jahr nach dem Brücken-Drama von Genua trauern Angehörige um die Opfer. Dies habe heute noch Auswirkungen auf die Behörden, sagt ein Experte.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor einem Jahr stürzte ein Teil der Morandi-Brücke in Genua in sich zusammen.
- Bei der Katastrophe kamen insgesamt 43 Menschen ums Leben.
- Darunter leidet bis heute noch das Vertrauen der Menschen in die Behörden.
Ein Jahr ist es her, dass ein Teil der Morandi-Brücke in Genua in sich zusammenstürzte. In den gewaltigen Massen von Beton und Stahl kamen 43 Menschen ums Leben, umliegende Häuser wurden grossräumig evakuiert. Der Schock sitzt bei der Bevölkerung in Genua bis heute noch tief.
Potentieller Vertrauensverlust in Genua
Für Benjamin Scharte, Senior Researcher Risk and Resilience an der ETH Zürich, kann solch ein Ereignis durchaus langfristige Folgen haben. «Indirekte Auswirkungen haben das Potential, das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit und Zuverlässigkeit der lebenswichtigen Infrastrukturen zu untergraben.»
Für Behörden und Betreiber kann dies durchaus problematisch werden. Denn «verloren gegangenes Vertrauen lässt sich nur sehr schwer wiederherstellen», so Scharte.
Für ihn ist klar, dass ohne transparente und gründliche Ursachenanalyse und Eingeständnissen von Eigenfehlern ein Vertrauensverlust kaum zu verhindern ist. Gerade bei letzterem besteht im Falle der Morandi-Brücke offensichtlich noch Nachholbedarf, da sich kaum eine Institution irgendeiner Schuld bewusst ist.
Soziales Versagen als Ursache
Neben den technischen und physikalischen Gründen zum Einsturz der Brücke in Genua sieht der Experte auch Gründe im sozialen Bereich. «Es sind häufig Zeit- und Effizienzdruck, unklare Verantwortlichkeiten oder ungeeignete Kommunikationsmuster, die zu katastrophalen Unfällen führen können.»
Es sei von daher sehr wichtig, Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen im Sicherheits- und Risikomanagement anzuwenden, so Scharte.
Dabei sei gerade der Wandel der Gesellschaft wohl die grösste Herausforderung für das Erstellen eines Sicherheitskonzepts. «Einfach ausgedrückt hängt alles mit allem zusammen», sagt Scharte.
Dies mache es beinahe unmöglich, vorauszusehen, was an welcher Stelle aus welchem Grund wann schiefgehen kann.» In diesem Fall würden vor allem automatisierte Scanmethoden von Bauwerken, so genanntes «Structural Health Monitoring», erheblich helfen.
Schweiz gut abgesichert
Generell sei es für jedes Land somit wichtig, seine Infrastrukturen genaustens zu kennen, so der ETH-Forscher. Im Hinblick auf die Schweizer Infrastruktur sieht er daher keinen Grund zur Sorge. «In der Schweiz gibt es dazu bereits profundes Wissen und sehr gute Vorsorgemassnahmen, wie auch Notfall- und Rettungspläne.»
Allerdings sei es auch in der Schweiz wichtig, dass Pläne immer wieder der Realität angepasst werden. So seien Autos über die Jahre beispielsweise immer schwerer geworden, was Brücken anderen Belastungen aussetze und Anpassungen erfordere.