Selenskyj fordert neue Russland-Sanktionen – Die Nacht im Überblick
Wolodymyr Selenskyj fordert weitere Sanktionen, während sein Berater sich trotz der schwierigen Lage im Osten siegessicher gibt.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss Wolodymyr Selenskyj braucht es das siebte Sanktionspaket gegen Russland schnell.
- In Charkiw sind 14 Erwachsene und ein Kind durch russischen Beschuss gestorben.
- In der Region Luhansk droht ukrainischen Truppen die Einkesselung.
Kurz vor der Entscheidung über einen möglichen Status der Ukraine als EU-Beitrittskandidat hat Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere Sanktionen gegen Russland gefordert. «Russland muss den wachsenden Druck infolge des Kriegs und seiner aggressiven antieuropäischen Politik spüren.» Dies sagte der ukrainische Staatschef in seiner Videobotschaft in der Nacht zu Mittwoch. In Gesprächen mit europäischen Staats- und Regierungschefs habe er betont, dass ein siebtes Sanktionspaket so schnell wie möglich benötigt werde.
Im Osten der Ukraine gehen die Gefechte derweil weiter, zum Teil droht die Einkesselung ukrainischer Truppen. Das durch russische Streitkräfte besetzte Gebiet um die Stadt Cherson hingegen werde allmählich zurückerobert, sagte Selenskyj.
Bei den Getreideexporten aus der Ukraine könnte es bald Bewegung geben – kommende Woche sollen nach Kreml-Angaben Vertreter der Türkei nach Moskau reisen, um Gespräche über die blockierten Ausfuhren zu führen, die zu gefährlichen Versorgungsengpässen gerade in Entwicklungsländern führen.
Selenskyj-Berater: «Wir können den Krieg gewinnen»
Selenskyjs Wirtschaftsberater Alexander Rodnyansky äusserte sich überzeugt von einem Sieg seines Landes gegen den russischen Aggressor. «Wir können den Krieg gewinnen», sagte er in der ARD-Sendung «Maischberger». Er hoffe, dass im August die Gegenoffensive beginnen könne.
Die Unterstützung aus dem Ausland helfe sehr und komme auch an, aber bis die Waffen eingesetzt werden könnten, dauere es eben. Der Illusion eines nachhaltigen Friedens mit Russland dürfe man sich jedenfalls nicht hingeben. Unter Präsident Wladimir Putin gehe es dem Nachbarland um Imperialismus – «und dabei wird es auch bleiben».
Russland: Dutzende Schiffe in Ukraine blockiert
In sechs Häfen der Ukraine hängen nach russischen Angaben derzeit 70 Schiffe aus 16 Staaten fest. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge können sie wegen des Beschusses durch ukrainische Kräfte und hoher Minengefahr nicht ungehindert aufs Meer fahren.
Die Ukraine – einer der grössten Getreideexporteure der Welt – kritisiert hingegen, dass Russland durch eine Blockade ukrainischer Häfen die Ausfuhr von Getreide verhindere und damit eine Lebensmittelkrise provoziere. Auch die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen.
Tote und Verletzte im Gebiet Charkiw
In der ostukrainischen Region Charkiw seien durch russische Angriffe 14 Erwachsene und ein Kind getötet worden, teilte Gouverneur Oleh Synjehubow am Dienstag im Nachrichtendienst Telegram mit. 16 weitere wurden demnach verletzt. In der Region Donezk wurde nach Angaben von Gouverneur Pawel Kyrylenko ein Zivilist getötet, 19 weitere Menschen seien verletzt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen.
Ukrainische Truppen in Ostukraine von Einschliessung bedroht
Im stark umkämpften ostukrainischen Gebiet Luhansk könnten ukrainische Einheiten um die Ortschaften Solote und Hirske von russischen Streitkräften eingeschlossen werden. Die russischen Truppen hätten Geländegewinne erzielt, sodass den ukrainischen Kräften dort die nördliche Strassenverbindung zu ihren anderen Einheiten um Lyssytschansk gekappt werden könnte, hiess es in einem Bericht des ukrainischen Generalstabs. Vergangene Woche war bereits die Verbindung über das westlich von Hirske gelegene Wrubiwka unter russische Kontrolle geraten.
Lindner: Lange Phase der Entbehrungen
Finanzminister Christian Lindner (FDP) schwor die Bürger in Deutschland angesichts steigender Preise infolge des Kriegs auf eine lange Phase der Entbehrung ein. «Meine Sorge ist, dass wir in einigen Wochen und Monaten eine sehr besorgniserregende Situation haben könnten.» Dies sagte Lindner im ZDF-«heute journal».
«Es geht ja um drei bis vier, vielleicht fünf Jahre der Knappheit. Und dafür müssen wir eine Antwort finden.» Er fügte an: «Es besteht die Gefahr einer sehr ernstzunehmenden Wirtschaftskrise aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise, aufgrund der Lieferketten-Probleme, aufgrund auch der Inflation.»
EU-Ratspräsident schlägt Kandidatenstatus für Ukraine vor
Die Entscheidung über einen möglichen Status der Ukraine als EU-Beitrittskandidat steht inzwischen unmittelbar bevor. EU-Ratspräsident Charles Michel plädiert dafür, sowohl ihr als auch dem kleinen Nachbarn Moldau diesen Status zuzuerkennen.
Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung des am Donnerstag beginnenden EU-Gipfels heisst es: «Der Europäische Rat hat beschlossen, der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines Kandidatenlandes zu verleihen.» Damit würden die 27 Staats- und Regierungschefs, die sich bis Freitag in Brüssel treffen, der Empfehlung der EU-Kommission folgen.
Das bringt der Tag
Bundeskanzler Olaf Scholz will am Mittwoch im Bundestag zu den anstehenden Gipfeltreffen von EU, G7 und Nato Stellung nehmen, bei denen jeweils der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen wird. Auf die 20-minütige Regierungserklärung des SPD-Politikers folgt eine auf anderthalb Stunden angesetzte Aussprache.
Ausserdem beraten die Spitzen der Ampelkoalition über mögliche Schritte gegen die Preissteigerungen insbesondere von Gas und Energie infolge des Kriegs. Am Nachmittag äussert sich ferner Ifo-Präsident Clemens Fuest zu Folgen des Kriegs für die Konjunktur und den Wirtschaftsstandort Deutschland.