Der Münchner Industriekonzern will trotz aller Kritik an einem Auftrag für ein riesiges Kohlebergwerk festhalten. Klimaaktivisten lassen nicht locker und protestieren - auch für das Aktionärstreffen Anfang Februar sind Demonstrationen geplant.
Klare Worte: Ein Demonstrant hält während einer Protestaktion von Fridays for Future vor der Siemens-Zentrale ein Schild mit der Aufschrift «Joe's Scheiss-Verein». Foto: Matthias Balk/dpa
Klare Worte: Ein Demonstrant hält während einer Protestaktion von Fridays for Future vor der Siemens-Zentrale ein Schild mit der Aufschrift «Joe's Scheiss-Verein». Foto: Matthias Balk/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Umweltschützer laufen weiter Sturm gegen die Entscheidung von Siemens, an der Lieferung einer Zugsignalanlage für ein umstrittenes Kohlebergwerk in Australien festzuhalten.
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Die Klimaaktivisten von Fridays for Future demonstrierten am Montag in zahlreichen Städten. Zudem kündigten sie Proteste für die Siemens-Hauptversammlung am 5. Februar an. Bis Montagabend waren einer Sprecherin zufolge insgesamt 15 Demonstrationen gegen das Dax-Unternehmen geplant.

Vor der Münchner Siemens-Zentrale trafen sich rund 100 Demonstranten - unter anderem zu einem sogenannten «Die-in», bei dem sich die Protestierenden wie tot auf den Boden legten. Die Aktionen waren laut Fridays for Future nach der Siemens-Entscheidung kurzfristig organisiert worden.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, sie habe sich ein anderes Signal erhofft - auch, weil das Auftragsvolumen für Siemens relativ gering sei. Der Konzern hätte sich «rausverhandeln» oder Vertragsstrafen in Kauf nehmen können, «weil der Rufschaden, der jetzt mit dieser Entscheidung einhergeht, wesentlich grösser ausfallen dürfte».

Siemens-Chef Joe Kaeser hatte am Sonntagabend nach einer erneuten Prüfung verkündet, am Auftrag des Industriekonzerns Adani festhalten zu wollen - trotz heftiger Kritik. Er begründete dies unter anderem damit, dass Siemens zu seinen vertraglichen Pflichten stehen müsse. Siemens will als Konsequenz aus der Debatte ein Nachhaltigkeits-Komitee einrichten, das problematische Projekte stoppen soll.

Noch am Freitag hatte sich der Spitzenmanager mit der Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer getroffen. Diese kritisierte die Entscheidung am späten Sonntagabend als «unentschuldbaren Fehler». «Auf diesen Vertrag zu pochen, während Australien brennt und alle Konsequenzen für Mensch und Umwelt bekannt sind, ist Wahnsinn», sagte sie.

Das Bundesumweltministerium wollte den konkreten Fall nicht kommentieren. Die Unternehmenswelt könne und müsse aber daraus lernen, dass es ein Frühwarnsystem brauche, sagte ein Sprecher. «Wer mit dem Wissen von heute in fossile Infrastruktur investiert, riskiert, morgen zu den Verlierern zu gehören.»

Die Gesellschaft für bedrohte Völker widersprach der Darstellung von Siemens-Chef Kaeser, dass die indigenen Wangan und Jagalingou, deren Land vom Projekt betroffen ist, zugestimmt hätten. «Da scheint Herr Kaeser schlecht informiert worden zu sein», sagte Yvonne Bangert von der Gesellschaft: «Eine Zustimmung, die der UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker genügt, liegt unseres Wissens nicht vor.» Auch aus Australien kam Kritik: Der «schändliche» Beschluss ruiniere das Image von Siemens, kritisierte die Australian Conservation Foundation.

«Siemens steckt in einem Konflikt, der nur schwer aufzulösen ist», sagte Hagen Reimer, IG-Metall-Vertreter im Siemens-Aufsichtsrat. «Neben der Verantwortung gegenüber den Beschäftigten muss der Konzern auch verantwortungsvoll in gesellschaftlichen Fragen handeln.» Hier müsse die richtige Balance gefunden werden. «Wir begrüssen deshalb den Vorschlag von Siemens-Chef Kaeser, ein eigenes Gremium zur Abwägung von Nachhaltigkeitsfragen zu schaffen.»

Ein Stück weit in Schutz genommen wurde Kaeser von Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). «Nachdem der Auftrag unterschrieben wurde, muss sich der Konzern daran halten und vertragstreu bleiben», sagte sie der «Rheinischen Post» (Dienstagsausgabe). Allerdings hätte der Konzern bereits bei der Vertragsunterzeichnung «eine kritischere Haltung zu den Umweltfragen haben können.»

Grundsätzlich müssten sich alle Betriebe ansehen, wozu ihre Produkte verwendet würden, sagte Bergdolt. «Das kann für die deutsche Wirtschaft international zu Einbussen führen, da die Aufträge dann vermutlich von Konkurrenten übernommen werden. Andererseits ist die deutsche Industrie innovativ genug, um Lösungen anzubieten, die den Umwelt- und Klimaschutz integrieren.»

Der indische Energiekonzern Adani will in Australien eines der grössten Kohlebergwerke der Welt errichten und hält daran ungeachtet der seit langem anhaltenden Proteste fest. Der Bau sei voll im Gange, sagte eine Sprecherin. «Wir lassen uns nicht einschüchtern oder davon abhalten, unsere Versprechen einzulösen - für die Menschen in Queensland, die Australier und die Menschen in Entwicklungsländern, die dringend bezahlbare Energie brauchen, um ihnen zu helfen, der Armut zu entkommen.»

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