SP-Wermuth zieht bei FDP-AfD-Pakt Parallele zu Hitler
Thomas Kemmerich ist neuer Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Thüringen. Königsmacher war bei den Wahlen die AfD. Cédric Wermuth hat ein Déjà-vu.
Das Wichtigste in Kürze
- In Thüringen schafft der FDP-Kandidat die Wahl zum Ministerpräsidenten dank AfD-Support.
- Die Empörung der anderen Parteien ist gross: Sie sprechen von einem Tabubruch.
- SP-Nationalrat Cédric Wermuth erinnert der Pakt gar an Hitlers Machtergreifung 1933.
Anfänglich verabscheute Paul von Hindenburg den Kriegsveteranen und Politshootingstar Adolf Hitler. Doch im Januar 1933 ernannte der Reichspräsident der Weimarer Republik den Parteichef der Nationalsozialisten zum Reichskanzler. Am «Tag von Potsdam», knapp zwei Monate später, inszenierten Hindenburg und Hitler die Verbindung von konservativ-monarchischen und nationalsozialistischen Kräften.
Der Tag sollte das neu eingegangene Bündnis zwischen altem Preussentum und Nationalsozialismus symbolisieren. Der anfängliche Schulterschluss zwischen Konservativen und NSDAP führte in der Folge zur vollständigen Machtübernahme der Nazis und der Diktatur unter Adolf Hitler.
An diesen Tag im März vor 87 Jahren fühlte sich heute Cédric Wermuth erinnert. Der SP-Nationalrat teilte ein Bild von Hitlers Hindenburg-Handschlag und stellte dazu den Handshake zwischen Björn Höcke, dem AfD-Chef in Thüringen, und FDP-Politiker Thomas Kemmerich.
Cédric Wermuth sieht Parallelen
Denn auch dieser Handschlag ist symbolisch: Dank der Unterstützung von Höckes rechtsnationalistischer Alternative für Deutschland schaffte Kemmerich heute überraschend die Wahl zum Ministerpräsidenten Thüringens. Parteien von links bis mitte-rechts sind ausser sich.
Kemmerich setzte sich gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linken durch. Diese sprach von einem «Dammbruch»: erstmals sei in Deutschland ein Ministerpräsident mithilfe der Stimmen einer Rechtsaussenpartei ins Amt gekommen. Auch SPD und Grüne reagierten schockiert.
Die FDP stellt im Erfurter Landtag zwar die kleinste Fraktion. Weil Kemmerich im dritten Wahlgang auch Stimmen von CDU und AfD erhielt, überholte er Ramelow um eine Stimme. Der AfD-Bewerber Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine einzige Stimme mehr, weil die AfD-Fraktion mit grosser Mehrheit für Kemmerich votierte.
Nach seiner Wahl versuchte er die Wogen zu glätten. Es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD oder den Linken geben, sagte er. «Die Brandmauern gegenüber der AfD bleiben bestehen.»
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hingegen sprach von einem «guten Tag für Thüringen». Seine Partei habe «das Wahlziel gehabt, Rot-Rot-Grün zu beenden», sagte Höcke. Unter der bisherigen Regierung sei Thüringen «in einen Linksstaat deformiert» worden. «Deshalb haben wir heute gewählt, wie wir gewählt haben.»
Empörungswellen in ganz Deutschland
Von der Wahl in Erfurt gingen Schockwellen in die Bundespolitik. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem «historischen Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte». Die FDP habe sich von der AfD, die mit ihrem Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke «einen waschechten Faschisten in den eigenen Reihen hat, an die Macht wählen» lassen.
FDP und CDU hätten sich mit der Wahl zum «Steigbügelhalter der rechtsextremen AfD» gemacht, erklärte Linken-Parteichef Bernd Riexinger. Was jetzt folgen werde, sei unklar: «Der gewählte Kandidat hat weder eine Koalition noch ein Regierungsprogramm oder eine Regierung. Die Zeichen stehen auf Neuwahl.»
Unfassbar! Linke-Chefin Hennig-Willsow wirft dem neuen Ministerpräsidenten von Thüringen, Thomas Kemmerich (FDP) den Blumenstrauß vor die Füße. #Thueringen #Ramelow #kemmerich pic.twitter.com/XpjkzZ6S2L
— Anabel Schunke (@ainyrockstar) February 5, 2020
Die SPD-Bundesspitze reagierte fassungslos. SPD-Kovorsitzender Norbert Walter-Borjans bezeichnete die Vorgänge auf Twitter als «unverzeihlichen Dammbruch, ausgelöst von CDU und FDP». Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) schrieb auf Twitter: «Sich von Rechtsextremen zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, ist komplett verantwortungslos.»
Die Parteispitze und die Fraktionschefs der Grünen im Bund kritisierten die Wahl als «Kulturbruch» und forderten Kemmerich zum sofortigen Amtsverzicht auf. Auch die Thüringer Grünen forderten seinen Rücktritt.