Innenministerium verteidigt Stuttgarter Polizei
Ermittler fragen zu einigen Verdächtigen der Stuttgarter Krawallnacht bei Standesämtern die Nationalität der Eltern ab. Eine Selbstverständlichkeit, sagt der Innenminister. Doch die Kritik ist heftig.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit ihren Ermittlungen zum Migrationshintergrund der Täter der Stuttgarter Krawallnacht hat die Polizei bundesweit eine heftige Debatte ausgelöst.
Politiker von Grünen, SPD und Linken kritisieren das Vorgehen der Stuttgarter Beamten, vor allem nachdem in Medienberichten von «Stammbaumforschung» die Rede gewesen war. Das Bundesinnenministerium hält die Nachforschungen zur Herkunft der Tatverdächtigen dagegen für angemessen, wenn es der Verhinderung erneuter Gewaltexzesse dient.
«Der familiäre Hintergrund kann besonders bei Jugendlichen und Heranwachsenden von Relevanz sein, wenn es darum geht, Strategien für die Prävention zu entwickeln», sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Auch der CDU-Innenexperte Armin Schuster verteidigte die Polizei. «Soziologische Täteranalysen sind nach solchen Exzessen polizeilicher Standard. Wie soll die Polizei denn sonst zielgerichtete Strategien und Präventionsmassnahmen für kommende Lagen entwickeln?», sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Vielleicht halten sich einige politische Hobby-Sicherheitsexperten einfach mal zurück. Die andauernden rhetorischen Tritte linker Politiker gegen die Polizei werden immer mehr zum eigentlichen Sicherheitsrisiko.»
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte dem MDR, die Ermittlungsmethoden der Polizei in Stuttgart seien polizeilicher Standard. «Für Jugendgerichte sind die persönlichen Lebensumstände eines Tatverdächtigen ganz besonders wichtig, beispielsweise wenn Auflagen erteilt werden sollen.»
Am Wochenende hatte die Stuttgarter Polizei bestätigt, dass sie bei den Ermittlungen zur Krawallnacht in Einzelfällen die Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen abfragte. Das Vorgehen hatte für viel Kritik gesorgt, Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) verteidigte es dagegen als Selbstverständlichkeit in Strafverfahren. An den Krawallen in der Nacht zum 21. Juni waren nach Polizeiangaben 400 bis 500 Menschen beteiligt oder hatten zugeschaut. 32 Polizisten wurden verletzt. Inzwischen seien 39 Verdächtige ermittelt worden.
Die Polizei bestätigte, dass sie in elf Fällen bei Standesämtern den Migrationshintergrund abgefragt habe. Die mutmasslichen Krawallmacher hatten sich demnach in der Vernehmung nicht zu ihrer Herkunft äussern wollen. Die Information fliesse in den Ermittlungsbericht ein und sei besonders für Präventionskonzepte wichtig, sagte eine Sprecherin. Es brauche andere Konzepte für türkische Migranten aus sozialen Brennpunkten als etwa für Deutsche, die in der Stuttgarter Halbhöhenlage lebten. Sonstige Informationen seien nicht abgefragt worden.
Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, Martina Renner, bezeichnete die Abfrage der Herkunft der Familien als diskriminierend. «Es geht darum, dass eine solche Ermittlungspraxis a) unnötig ist und b) diskriminierend», sagte Renner im «RTL/ntv-Frühstart». Natürlich werde bei jugendlichen Straftätern auf das familiäre Umfeld geschaut, auf Vorstrafen und auf die Situation in der Schule.
Nach den Ausführungen des Stuttgarter Polizeipräsidenten Franz Lutz im Gemeinderat vergangene Woche sind 24 der 39 Verdächtigen deutsch, 11 dieser 24 hätten gesichert einen Migrationshintergrund, bei weiteren 11 der 24 könnte ein Migrationshintergrund bestehen, das stehe noch nicht sicher fest. 15 der 39 Verdächtigen hätten eine ausländische Staatsangehörigkeit.
Die Bundesregierung lehnt es ab, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Tatverdächtigen der Stuttgarter Krawallnacht von «Stammbaumforschung» zu sprechen. Auf die Frage eines Journalisten, ob «Stammbaumforschung» auch zu den Aufgaben der Bundespolizei gehöre, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin: «Wer immer den jetzt auch in die Arena geworfen hat, dieser Begriff verbietet sich in diesem Zusammenhang, das ist ein historisch belastetes und nicht angebrachtes Wort.»