Türkei: Wahlen mit Fakenews und Deepfakes überflutet

Julian Blatter
Julian Blatter

Türkei,

Im Zuge der Wahlen verbreiten sich in der Türkei Fakenews wie ein Lauffeuer. Verantwortlich gemacht werden Soziale Medien, Presse und die Regierung Erdogan.

Turkey Election Issues
Ein Erdogan-Anhänger verteilt in Istanbul Wahlwerbung für den Präsidenten an Passanten. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Während der Wahlen wird die Türkei von Fakenews überflutet.
  • Falschinformationen werden in den Sozialen Medien geteilt und von Zeitungen vertreitet.
  • Kritiker werfen Erdogan zudem vor, Einfluss auf Soziale Medien und Presse zu nehmen.

Can Semercioglu hat gerade alle Hände voll zu tun. Bei seinem Arbeitgeber, der Factchecking-Plattform «Teyit», herrscht angesichts der Präsidentschaftswahlen Hochkonjunktur. Vor allem die Sozialen Medien – aber auch Wahlkampfbühnen und Zeitungen – werden mit Falschinformationen überflutet.

Beispielhaft für Falschinformationen im Wahlkampf steht ein Video, das Anhänger der verbotenen PKK zeigt, die Oppositionskandidat Kiliçdaroglu ihre Unterstützung unterbreiten. Das manipulierte Video wurde am 1. Mai von der islamistischen Zeitung Yeni Akit verbreitet; am 7. Mai wurde es auf einer Wahlkampfveranstaltung Erdogans abgespielt.

«Es war überraschend, dass Erdogan ein manipuliertes Video [...] auf einer Kundgebung zeigte», sagt Semercioglu gegenüber «Wired». Obowhl der Clip eindeutig gefälscht gewesen sei, habe er sich weit verbreitet und sei «ziemlich effektiv» gewesen.

Emre Kizilkaya, Herausgeber des Online-Mediums «Journo» und Vorsitzender des International Press Institutes macht dafür «regierungsfreundliche Trolle und Bots» verantwortlich. Diese hätten die Sozialen Medien damit «bombardiert». Das Video sei daraufhin bei den in der Türkei wichtigen Google-Suchergebnissen zu Kiliçdaroglu unter den Top-Vorschlägen gelandet.

Das PKK-Video ist bei weitem nicht der einzige Fake, der rund um die Wahlen aufgetaucht ist. Ein anderer Clip hat einen anderen Kandidaten, Muharrem Ince, nur wenige Tage vor der Wahl dazu gebracht, das Handtuch zu werfen. Es handelt sich um einen Sex-Tape, Ince zufolge war es ein Deepfake. Der Politiker beschuldigt Russland, das Video hergestellt zu haben.

Erdogans Einfluss auf die Medien

Der Regierung Erdgoan wird vorgeworfen, Einfluss auf die Sozialen Medien zu nehmen. So hat sie Twitter schon mehrfach blockiert, zuletzt im Februar. Am Vorabend der Wahlen liess die Regierung mehrere Konten auf der Plattform sperren. Kritiker sprechen daher davon, dass Erdogan und Twitter die Opposition zenisieren würden.

Den Einfluss der Sozialen Medien sieht Erkan Saka, Professor für Journalismus an der Istanbuler Bilgi-Universität allerdings als gering. Ihm zufolge spielt die Presselandschaft eine deutlich grössere Rolle. Auch diese arbeite mit Desinformation, so Saka.

Wer wird die Stichwahl in der Türkei gewinnen?

Der Grossteil der türkischen Medien steht fest hinter Erdogan. Dies wurde vorab auch von internationalen Wahlbeobachtern kritisiert. Ein im letzten Jahr verabschiedetes Gesetz gegen Desinformation verschärft die Situation zusätzlich. Kritiker sehen darin ein Versuch Erdogans, die Medienlandschaft noch stärker für sich zu nutzen.

«Ich habe noch nie gesehen, dass eine regierungsnahe Person durch dieses Gesetz verfolgt wurde. Aber einige kritische Journalisten sitzen bereits wegen dieses Gesetzes im Gefängnis», sagt Saka. «Es wird definitiv mit zweierlei Mass gemessen.»

Kommentare

User #1196 (nicht angemeldet)

Einen Diktator kann man nicht wählen. Ein Diktator ernennt sich selbst.

User #9236 (nicht angemeldet)

Auch hier gelenkt von Konservativen.

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