Über 420 Festnahmen in Frankreich - Champs Élysées geräumt
In Frankreich kam es in der fünften Nacht in Folge zu Krawallen mit Hunderten Festnahmen. Laut Innenminister Darmanin war die Nacht aber ruhiger.
Das Wichtigste in Kürze
- In Frankreich kam es erneut zu Krawallen und Ausschreitungen.
- Laut Innenminister Darmanin war die Nacht aber ruhiger, auch dank 45'000 Polizisten.
- Diese waren teils in gepanzerten Fahrzeugen unterwegs und setzte Tränengas ein.
Frankreich kommt auch in der fünften Nacht nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel nicht zur Ruhe.
Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als in den Nächten zuvor, kam es vor allem in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen. Mindestens 427 Menschen seien landesweit festgenommen worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin auf Twitter.
Die weltberühmte Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées wurde von einem grossen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie «Le Figaro» berichtete. Auch in Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen. Angesichts der Unruhen sagte Präsident Emmanuel Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland ab.
Darmanin schrieb weiter, trotz alledem sei die Nacht «dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte» eine ruhigere gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45'000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.
Polizei mit gepanzerten Fahrzeugen in Marseille
In Marseille sei die Lage angespannt, aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Abend mit. Den ganzen Abend über hätten sich Gruppen gebildet, um Schaden anzurichten, teilte die Präfektur Bouches-du-Rhône laut «Le Parisien» mit. Die Polizei habe versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben.
Besonders in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war, war die Polizei dort nun mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.
Darmanin sprach zuvor vor «geringerer Intensität»
Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten vor einigen Tagen. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten.
Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von Medien verifizierte Videobilder des Vorfalls in den sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Der Vorfall hatte eine Welle der Gewalt in Frankreich ausgelöst. Am frühen Samstagmorgen hatte Innenminister Darmanin nach einer weiteren Nacht der Gewalt zwar davon gesprochen, dass diese von «geringerer Intensität» gewesen sei als zuvor. Die Zahlen, die er präsentierte, klangen aber wenig beruhigend: 1311 Festnahmen – deutlich mehr als in den Nächten zuvor –, 406 davon allein in Paris, sowie 79 verletzte Polizisten.
Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer giessen könnte. Doch in Nanterre blieb es «Le Parisien» zufolge bis Mitternacht ruhig.
Macron zur Absage des Staatsbesuchs gezwungen
Wegen der Unruhen sagte Präsident Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland am Samstag ab. Es wäre der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 23 Jahren gewesen. Doch die innenpolitische Lage zwingt Macron, in Frankreich zu bleiben.
Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Strassenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Den nationale Notstand rief die Regierung allerdings bislang nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.