Meteorologe: Es brodelt über Deutschland wie im Kochtopf
Es ist ein Gewitter-Sommer in Deutschland. Ein Tief jagt das nächste. Vielerorts kann es auch in den kommenden Tagen recht ungemütlich werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Es blitzt, donnert und regnet: Der Sommer 2021 ist ein Gewitter-Sommer.
Der Meteorologe Markus Übel vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach vergleicht die Wetterlage mit einem Kochtopf: «In der Luft sind viel Energie und Feuchtigkeit. Es beginnt zu brodeln, irgendwann platzen die Blasen.»
Das tun sie - wettermässig - seit etwa Mitte Juni. Warme Luftmassen über dem Boden würden auf breiter Front in die Höhe gedrückt, wo sie abkühlen. Daraus entstehende Wolken wachsen zu Gewitterkomplexen, die sich vielerorts mit Starkregen entladen, wie der Meteorologe erläutert.
Es bleibt unbeständig
Daran wird sich in den kommenden Tagen wenig ändern. Es bleibt unbeständig. Während es nordöstlich der Elbe bei Temperaturen um die 30 Grad heiss wird, brauen sich über Baden-Württemberg die nächsten Unwetter zusammen. Es drohen Gewitter und Starkregen. Die Unwetter ziehen der DWD-Vorhersage zufolge etwa von Dienstag an Richtung Norden weiter.
Dass der diesjährige Sommer als Gewitter-Sommer wahrgenommen wird, erklärt Markus Übel mit der Verteilung von Blitz und Donner. «Sonst gehen Gewitter eher punktuell nieder. Viele Menschen bekommen es deshalb nicht mit, wenn es im Nachbarort kracht.» Das sei diesmal anders: Sowohl kräftige Niederschläge als auch Gewitter und wechselhaftes Wetter gehörten zu einem Sommer dazu. Verglichen mit den beiden vorangegangenen sehr trockenen Jahren «kommen einem die Niederschläge aber viel vor», räumt er ein. Bislang habe es zwar überdurchschnittlich geregnet. Von einem Rekord will Übel aber nicht sprechen. «Da ist noch Luft nach oben.»
Starkregen, Hochwasser, Stromausfall im Süden
Insbesondere im Süden Deutschlands ist es am Freitag zu zahlreichen wetterbedingten Notfällen und Einsätzen von Polizei und Feuerwehr gekommen.
Schwer betroffen war der fränkische Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim: Dort wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Der Unterricht an den Schulen sei eingestellt worden, teilte das Landratsamt mit. Und: Auch in den kommenden Tagen soll es vielerorts nass und ungemütlich bleiben. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) kündigte wechselhaftes Wetter an.
Baden-Württemberg und Bayern besonders betroffen
Am Freitag liessen die Unwetter mit Starkregen auch in Baden-Württemberg die Flüsse anschwellen. Vor allem im Osten des Landes waren Strassen und Keller überflutet. Im Kreis Ravensburg am Bodensee wurden Strassen gesperrt, Aquaplaning führte zu Unfällen, Autos steckten im Wasser fest. In mehreren Orten rutschten Hänge ab.
Die Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) Baden-Württemberg meldete Hochwasser unter anderem bei Riss, Rems, Kocher und Jagst. Am Riss-Pegel Niederkirch südlich von Ulm wurde am Freitagmittag ein Wasserstand von 2,77 Meter gemessen, normal ist dort ein Meter. In den vergangenen Wochen sei es dort somit zum dritten Mal zu einem solch seltenen Ereignis durch Starkregen gekommen, sagte ein HVZ-Experte.
Hochwasserwarnungen im Norden Bayerns
Im Norden Bayerns wurden für mehrere Gebiete Hochwasserwarnungen ausgerufen. In Wilhermsdorf (Landkreis Fürth) waren viele Menschen ohne Strom. Es habe einen kompletten Stromausfall im Ortskern gegeben, sagte Kreisbrandrat Frank Bauer. Er rechne aber damit, dass der Schaden noch am Abend behoben werden könne.
Nicht nur im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim sondern auch in der Stadt Ansbach wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Zum Teil seien ganze Ortschaften des Kreises von der Aussenwelt abgeschnitten gewesen, sagte Matthias Hirsch, Sprecher des Landkreises Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim. Verletzt sei aber niemand worden - das meldeten am Freitag auch die Leitstellen der anderen betroffenen Gebiete in Franken. Die Regenfälle liessen am Abend nach.
Allzeit-Pegelhoch innerhalb weniger Stunden
Nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes Bayern stiegen die Pegelstände in der Gegend rasant. Die Zenn stieg bei Stöckach innerhalb weniger Stunden um rund 2,50 Meter auf ein Allzeit-Pegelhoch an. Auch Sulzach oder Altmühl verzeichneten teils meterhohe Anstiege. Vor allem in Mittelfranken, aber auch in anderen Regionen wurden Überschreitungen bis zu Meldestufe 4 angegeben, bei der bebaute Gebiete in grösserem Umfang überflutet sind oder der Einsatz der Wasser- oder Dammwehr in grossem Umfang erforderlich ist. In Unterfranken war die A3 nach Angaben des Landkreises Kitzingen zwischen Wiesentheid und Schwarzach gesperrt.
Im Westen Deutschlands gab es einen nassen Rekord: Nie zuvor waren die Talsperren des Ruhrverbands an einem 9. Juli so voll wie am Freitag. Dies teilte der Wasserwirtschaftsverband in Essen mit. Der Füllstand der acht Talsperren lag bei 113 Prozent vom langjährigen Mittel. Im Schnitt waren die Talsperren zu knapp 96 Prozent gefüllt.
Feuchte Aussichten
«Ein Tief drückt dem nächsten Tief quasi die Klinke in die Hand», sagte ein DWD-Meteorologe mit Blick auf die kommenden Tage. Am Samstag sorge ein kurzes Zwischenhoch für eine Wetterberuhigung mit etwas Sonne, bevor am Nachmittag von Westen her die nächste Gewitterzone heranziehe. Vom Emsland bis zum Schwarzwald und am Alpenrand drohen dann wieder starke Gewitter, Hagel, Starkregen und Sturmböen. In der Nordosthälfte betragen die Temperaturen 20 bis 25 Grad, in der Südosthälfte steigen sie bis auf 28 Grad. Dort bleibt es länger trocken.
Am Sonntag soll es vom Emsland bis zum Erzgebirge zeitweise schauerartig regnen. Lokale Gewitter sind laut DWD ebenfalls möglich. Während im Nordosten ebenfalls einzelne Schauer drohen, gibt es im Süden und im Westen längere sonnige Abschnitte und es bleibt meist trocken. Die Temperaturen steigen auf bis zu 29 Grad. Im Westen und Nordwesten ist es mit bis zu 24 Grad etwas kühler.
Der Wochenstart wird dann wieder ungemütlich. Ein Tief über Westeuropa führt in Schüben feuchtwarme Luft nach Deutschland. Es drohen weitere Starkregenfälle, Schauer und Gewitter.