Vor Putin-Biden-Gipfel: Kreml erinnert an «rote Linien»
Der Ukraine-Krieg eskaliert. Die USA stimmten sich mit ihren europäischen Partnern über Sanktionen gegen Russland ab. Gelingt es US-Präsident Biden und Kremlchef Putin, die Krise zu entschärfen?
Das Wichtigste in Kürze
- US-Präsident Joe Biden und sein russischer Kollege Wladimir Putin wollen heute bei einem Videogipfel über die alarmierenden Spannungen im Ukraine-Konflikt sprechen.
Vor der Schalte drohten die USA der Regierung in Moskau im Fall einer militärischen Eskalation mit schwerwiegenden Konsequenzen. Die Kosten würden sehr hoch ausfallen, «sollte Russland sich für ein solches Vorgehen entscheiden», sagte ein US-Regierungsvertreter. Dann müsse Putin mit «erheblichen wirtschaftlichen Gegenmassnahmen sowohl der Europäer als auch der Vereinigten Staaten» rechnen.
Wenige Stunden vor Beginn des Videogipfels warnte der Kreml unterdessen den Westen erneut vor einem Überschreiten «roter Linien» im Ukraine-Krieg gewarnt. «Russland hat nicht vor, irgendjemanden anzugreifen, aber wir haben unsere Befürchtungen und unsere "roten Linien"», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge.
In der vergangenen Woche hatte Putin erklärt, dass etwa die Verlegung von militärischer Nato-Infrastruktur in die Ukraine aus russischer Sicht eine solche «rote Linie» darstellen könnte. Der Kremlchef sprach sich zudem für ein schriftlich vereinbartes Ende der Nato-Osterweiterung aus.
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow erklärte vor der Schalte, die um 16.00 Uhr MEZ beginnen sollte, eine friedliche Lösung des Ukraine-Kriegs sei nur durch einen Dialog zwischen Kiew und den ostukrainischen Gebieten möglich. Putin werde im Gespräch mit Biden klarmachen, dass die Ukraine sich an ihre Verpflichtungen aus dem 2015 ausgehandelten Minsker Friedensabkommen halten müsse, sagte Lawrow. Moskau fordert von Kiew zudem eine Garantie, den Donbass nicht anzugreifen.
Vowurf des Truppenaufmarschs
Die USA werfen Russland wiederum einen Truppenaufmarsch unweit der Grenze zur Ukraine vor. Moskau weist den Vorwurf der Aggression zurück und beschuldigt die Ukraine, mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den prorussischen Separatistenregionen Donezk und Luhansk verlegt zu haben.
Der US-Sender CNN berichtete, Washington erwäge Sanktionen gegen Putins Umfeld und den russischen Energiesektor. Eine mögliche «nukleare Option» wäre dem Bericht zufolge der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Banken-Zahlungssystem Swift. Die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, sagte, Ziel sei, «auf diplomatischem Wege zu vermitteln, dass dies der richtige Moment für Russland ist, seine militärische Aufrüstung an der Grenze (zur Ukraine) zurückzufahren». Zugleich stimmten sich die USA mit transatlantischen Partnern über Sanktionen ab, sollte Putin nicht einlenken.
Aufruf zur Deeskalation
Biden beriet sich vor dem Videogipfel mit Putin mit europäischen Verbündeten: mit Grossbritanniens Premier Boris Johnson, Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel und Italiens Regierungschef Mario Draghi. Die Staats- und Regierungschefs hätten ihre gemeinsame Besorgnis über «die russische Militäraufrüstung an der Grenze zur Ukraine und die zunehmend scharfe Rhetorik Russlands» gesprochen, teilte das Weisse Haus nach der Schalte mit. Sie hätten Moskau zur Deeskalation aufgerufen und betont, Diplomatie sei der einzige Weg sei, um den Konflikt zu lösen. Die britische Regierung teilte nach der Schalte mit, die fünf Staats- und Regierungschefs hätten vereinbart, sich nach Bidens Gespräch mit Putin erneut auszutauschen.
Kurz vor Bidens Schalte mit Putin sprach US-Aussenminister Antony Blinken wiederum telefonisch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Blinken habe dabei die unerschütterliche Unterstützung der USA für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine «angesichts der russischen Aggression» bekräftigt, teilte das US-Aussenministerium mit. Biden will nach Angaben aus dem Weissen Haus in den kommenden Tagen mit Selenskyj sprechen.
Nato kam zu Sondersitzung zusammen
Am Abend tauschten sich die Generalstabschefs der 30 Nato-Staaten in einer Sondersitzung zu den russischen Truppenbewegungen unweit der ukrainischen Grenze aus. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ging es bei den Gesprächen im Militärausschuss des Bündnisses unter anderem um die US-Informationen, nach denen Russland Vorbereitungen für einen Angriff auf die Ukraine getroffen habe.
Details zu den per Videokonferenz geführten Gesprächen wurden von der Nato nicht veröffentlicht. In einer Pressemitteilung hiess es lediglich, bei dem Austausch sei es darum gegangen, ein gemeinsames Lageverständnis zu erlangen, um das Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv des Bündnisses zu stärken. Zudem sei es Ziel gewesen, Transparenz zwischen den Bündnispartnern zu fördern und laufende Aktivitäten aufeinander abzustimmen.