Ukraine Krieg: Putins Geheimdienst liest bei jeder E-Mail mit
Putin kann trotz Ukraine-Krieg auf den Support seiner Bevölkerung zählen. Der Informationsfluss ist nach einer Gesetzes-Kaskade über zehn Jahre unter Kontrolle.
Das Wichtigste in Kürze
- Trotz Ukraine-Krieg kann Wladimir Putin auf die Unterstützung seiner Bevölkerung zählen.
- In Russland kommen Menschen kaum noch an unabhängige Informationen.
- Durch eine Vielzahl an Gesetzen hat Putin den Informationsfluss unter Kontrolle gebracht.
Jubelnde Menschen an den Militärparaden am «Tag des Sieges» und Putins Umfragewerte trotz des Ukraine-Kriegs im Allzeithoch: Im Westen reibt man sich ob der Unterstützung der russischen Bevölkerung verwundert die Augen.
Doch über die letzten zehn Jahre hat eine Kaskade von neuen Gesetzen Putin fast uneingeschränkte Macht über den Informationsfluss beschert. Das zahlt sich jetzt aus.
Schritt für Schritt zur Gleichschaltung
Als Erstes waren im Sommer 2012 die Journalisten dran. Kurz nach seiner Wiederwahl übertrug Putin den Tatbestand der Verleumdung vom Verwaltungs- ins Strafrecht. Seither prozessiert die Regierung pro Jahr hundert Journalisten und Blogger, statt einer Geldstrafe gibt es für kritische Berichterstattung jetzt Gefängnis. Das ist wichtig, denn 70 Prozent der Bevölkerung informieren sich in Russland über die öffentlichen Medien.
Noch im gleichen Jahr unterzeichnete Putin zudem ein Dekret, mit dem jeder auch ohne Geheimdienstverbindung zum «Spion» erklärt werden kann. Eine beliebte Trumpfkarte des Kremls, wenn es darum geht, jemandem ein Motiv zu unterstellen. Seit 2017 gelten zudem im Ausland registrierte Medien automatisch als «ausländische Agenten».
Meinungsfreiheit stark eingeschränkt
Auch an der Meinungsfreiheit wurde schnell gesägt. Seit 2013 sind zum Beispiel Schimpfwörter verboten. Was erlaubt ist und was nicht, entscheidet aber die Medienaufsichtsbehörde von Fall zu Fall.
Im gleichen Jahr wurden zudem «Beleidigungen religiöser Werte» zum Offizialdelikt erklärt. In der Praxis umfasst das auch das Leben von «nichttraditionellen sexuellen Beziehungen». Ebenso strafbar ist es, Homosexuelle als normal darzustellen.
Internetzensur läuft seit Ukraine-Krieg heiss
Dann, ab 2015, nahm Putin sich das heute stark zensierte Internet vor. Ein Zustand, der sich seit dem Ukraine-Krieg noch einmal extrem verschlimmert hat, wie eine Recherche des «Spiegel» zeigt. Ganz grundsätzlich liest der Geheimdienst heute alles mit, insbesondere bei E-Mail- und Messengerdiensten.
Seit 2019 müssen Internetanbieter zudem eine Überwachungstechnik installieren, welche der Kreml-Medienaufsicht die direkte Kontrolle über Sperrungen von Webseiten abgibt. VPN-Dienste wurden zudem schon 2017 verpflichtet, ihre Verschlüsselungskeys der Regierung zu übermitteln.
In der Folge eskalierte die Situation schnell: Die Medienaufsicht sperrte an einigen Tagen bis zu 1000 Seiten pro Tag. Je näher der Ukraine-Krieg rückte, desto mehr stieg diese Zahl. Heute geht man von rund 585'000 gesperrten Webseiten aus.
Die mit Abstand meisten Sperraktionen fanden vom 3. bis 5. Mai statt. Sie betraf 6652 Seiten innert drei Tagen, darunter die BBC, die Deutsche Welle oder Echo Moskau.