Ukraine Krieg: Russland will EU «von innen heraus schwächen»
Russland liefert kein Gas mehr an Polen und Bulgarien – eine weitere Eskalationsstufe im Ukraine-Krieg. Dabei geht es wohl um die Schwächung der EU «von innen».
Das Wichtigste in Kürze
- Russland hat gegen Polen und Bulgarien einen Gas-Lieferstopp verhängt.
- Offiziell ist dies eine Konsequenz daraus, dass nicht in Rubel für das Gas bezahlt wird.
- Laut einer Expertin ist das Ziel eher eine Verstärkung der Asymmetrien der Betroffenheit.
Wladimir Putin hat Polen und Bulgarien den Gashahn zugedreht. Der offizielle Grund: Die beiden Länder weigerten sich, für das russische Gas in Rubel zu bezahlen. Somit macht Russlands Präsident seine Drohung, die Lieferungen einzustellen, zum ersten Mal im Ukraine-Krieg wahr.
«Es handelt sich um eine weitere Eskalationsstufe Russlands», erklärt die selbstständige Politlogin und Ökonomin Petra Huth gegenüber Nau.ch. Diese sei vor allem auf die wirtschaftlich schwächeren Länder der Europäischen Union ausgerichtet. Das Ziel: Ungleichheiten der Betroffenheit verstärken, um die Allianz «von innen heraus zu schwächen».
Ukraine-Krieg: Unabhängigkeit bringt EU Handlungsfähigkeit
Für Huth ist klar: «Der Rat der Mitgliedsländer muss nun Polen und Bulgarien unterstützen, damit die Gemeinschaft politisch handlungsfähig bleibt.» Für Polen sei der russische Gas-Stopp zwar weniger einschneidend als für Bulgarien. Die EU-Kommission helfe aber mit, alternative Gas-Bezugsquellen zu finden.
«Zudem wird die EU aller Voraussicht nach vorplanen, welche Länder als nächstes Ziel russischer Retourkutschen sein werden», fügt Huth hinzu. Da diese vor allem auf wirtschaftlich schwächere Länder abzielen, könnte das unter Druck stehende Moldau ein nächster Kandidat sein.
Doch ergreift Europa jetzt angesichts der neuen Eskalation weitere Sanktionen gegen Russland? Ein Kohle-Embargo mit einer Übergangszeit von 120 Tagen wurde bereits beschlossen – aber kommt nun auch der Öl-Importstopp?
Bei dieser Frage ist Huth zufolge nicht nur Russland entscheidend. Es komme vor allem auch auf die europäische Umsetzung der Massnahmen zur eigenen Versorgung an. Denn wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit sei «massgebend für den Handlungsspielraum der wirtschaftlichen Reaktionsfähigkeit der Staaten».
Die Mitgliedsländer scheinen dabei auf einem guten Weg zu sein. Die Ökonomin erklärt: «Derzeit tönt es zumindest danach, dass die Staaten Fortschritte in Richtung wirtschaftlicher Unabhängigkeit von russischen Gas- und Ölimporten machen.»
Hohe Symbolik von Sanktionen – aber Isolierung Russlands unrealistisch
Allerdings: Russland mittels Sanktionen im Ukraine-Krieg wirtschaftlich zu isolieren, wird wohl kaum möglich sein. Der Westen kann Putin zwar unter Druck setzen – auf China kann Russland jedoch weiterhin zählen. So sind auch Gegenschläge gegen Staaten, die Russland mit Sanktionen belegt haben, möglich.
«Mit China im Rücken kann Russland jetzt militärische Solidarhandlungen von europäischen Ländern oder der Gemeinschaft wirtschaftlich abstrafen», führt Huth aus. Immer mehr Nato-Staaten unterstützen die Ukraine mit Waffenlieferungen. Auch über das jetzt vom Gas-Stopp betroffene Polen gelangt eine Vielzahl an Waffen in die Ukraine.
Aktuell sei eine neue geopolitische Blockbildung zu beobachten, erklärt Huth. So bezahlt Russland Importe aus China in der chinesischen Währung Renminbi – China wiederum russische Rohstoffe in Rubel. Das Ziel sei, den US-Dollar als Leitwährung zu schwächen: «Im schlimmsten Fall können sich zwei unterschiedliche Währungsblöcke entwickeln.»
Eine wirtschaftliche Isolation Russlands im Ukraine-Krieg ist also eher unrealistisch. «Der politische Symbolwert von Sanktionen wird jedoch weiterhin hoch sein», hält die Politologin fest.