Ukraine-Krieg: Will sich Putin mit Internet-Angriff revanchieren?
Russland wird verdächtigt, mit U-Booten die Unterseekabel auszuspionieren. Droht im Ukraine-Krieg etwa ein Angriff auf das weltweite Internet?
Das Wichtigste in Kürze
- Die britische Armee beobachtet eine Zunahme der russischen Unterseeaktivitäten.
- Putins Truppen werden verdächtigt, die Internetkabel im Meeresgrund auszuspionieren.
- Plant Putin etwa ein Angriff auf das weltweite Internet?
Sie sind nicht viel dicker als ein Gartenschlauch und trotzdem geht ohne sie fast nichts: Unterseekabel sind das zentrale Verbindungsstück des Internets. Sie verbinden Kontinente und transportieren jeden Tag gewaltige Mengen an Daten.
Alle Kabel zusammen messen rund 1,3 Millionen Kilometer, womit sie die Erde mehr als dreissig Mal umwickeln könnten. Und jeder braucht sie: Rund 95 Prozent des internationalen Datenverkehrs fliessen heute über Unterseekabel.
Doch die Leitungen sind auch von geostrategischem Interesse. Wer sie kontrolliert, kann unter Umständen den Informationsfluss mitlesen oder sogar beeinflussen. Das weckt das Interesse von internationalen Tech-Konzernen und Regierungen.
Britischer Armeechef warnt vor russischen U-Boot-Aktivitäten
Im Gegensatz zu China und den USA war und ist Russland kaum in den Bau von Unterseekabeln involviert. Dennoch soll die russische Regierung in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder ein Auge auf die Leitungen geworfen haben.
Insbesondere in den vergangen zwanzig Jahren soll das Interesse der Russen deutlich zugenommen haben. Davor warnte der Chef der britischen Armee, Tony Radakin, kurz vor dem Ukraine-Krieg.
In dieser Zeitspanne habe es eine «phänomenale Zunahme der russischen Unterwasseraktivitäten» gegeben, wird er im «Guardian» zitiert. Gleichzeitig warnte Radakin, dass Russland die Unterseekabel, «das Informationssystem der Welt», bedrohen und möglicherweise auswerten könne.
Ukraine-Krieg: Revanchiert sich Putin für westliche Sanktionen?
Auch Mauro Gilli, leitender Forscher im Bereich Militärtechnologie an der ETH Zürich, sieht die Unterseekabel möglicherweise bedroht: «Mit dem Ukraine-Krieg und der internationalen Isolation hat Russland kein Interesse mehr an einer stabilen Weltwirtschaft», sagt er zur NZZ.
Mit einer Aktion gegen die Unterseekabel könnte sich Putin für die westlichen Sanktionen revanchieren. Als mögliche Ziele einer russischen Operation kann sich der Forscher sowohl das Anzapfen als auch das Trennen von Kabeln vorstellen.
Das wäre für Putins Truppen ein relativ kleiner Effort, da die Unterseekabel nur schwierig zu schützen seien, erklärt Gilli: «Es ist zwar möglich, den Schutz nahe der Küste zu erhöhen. Auf der hohen See kann ein solcher Schutz jedoch nicht gewährleistet werden, da die Kabel Tausende von Kilometern lang sind.»
Die schwer zu ortenden russischen U-Boote könnten sich den Kabeln also nähern, ohne dass dies vom Westen bemerkt wird. Deshalb sei die Bedrohung nicht zu unterschätzen, warnt der Experte für internationale Sicherheit.