Ukraine-Krise: Mützenich will Ende gegenseitiger Drohungen
Sind Drohungen der richtige Weg, um Russland von einem befürchteten Angriff auf die Ukraine abzuhalten? SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat zum Thema eine klare Meinung.
Das Wichtigste in Kürze
- Kurz vor neuen EU-Gesprächen zu den russischen Truppenbewegungen in Richtung der Ukraine hat der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion zu Deeskalation aufgerufen.
«Wir müssen alles dran setzen, die reale Kriegsgefahr zu mindern und die Spirale von Drohungen und Gegendrohungen zu durchbrechen», sagte Rolf Mützenich der Düsseldorfer «Rheinischen Post». Das Telefonat zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten in der vergangenen Woche müsse genutzt werden, um Gespräche über eine stabile Sicherheitsordnung in Europa unter Einschluss Russlands in Gang zu bringen. Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte derweil ihre ablehnende Haltung zur Ostseepipeline Nord Stream 2.
«Klare Botschaft an Wladimir Putin»
Die Aussenminister der Gruppe der führenden westlichen Industrienationen (G7) hatten Russland am Wochenende eindringlich vor einem Angriff auf die Ukraine gewarnt und Konsequenzen angedroht. «Wir haben von diesem G7-Treffen aus eine klare Botschaft an Wladimir Putin gesendet», sagte die britische Aussenministerin Liz Truss als Gastgeberin der Gespräche in Liverpool am Sonntag. «Wir sind sehr klar, dass jeglicher Angriff Russlands auf die Ukraine massive Konsequenzen hätte, die ernsthafte Kosten nach sich ziehen würden.»
Auf EU-Ebene wird die Konzentration russischer Truppen in der Nähe der ukrainischen Grenze an diesem Montag bei einem Aussenministertreffen Thema sein. Am Donnerstag soll die Lage zudem beim Dezember-Gipfel der Staats- und Regierungschefs thematisiert werden. Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die EU Russland mit sehr konkreten Sanktionsdrohungen von einem befürchteten Angriff auf die Ukraine abhalten. «Aggression muss ein Preisschild haben», sagte sie am Freitag. Deshalb werde man dazu vorweg in angemessener Form nach Russland kommunizieren - ohne aber öffentlich darüber zu sprechen.
Streitpunkt Nord Stream 2
Als mögliche Konsequenz ist auch immer wieder ein Stopp für die Ostseepipeline Nord Stream 2 im Gespräch. Nach Aussage von Aussenministerin Baerbock kann diese derzeit gar nicht genehmigt werden. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass für Energieprojekte europäisches Energierecht gelte - «und das bedeutet, dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen», sagte die Grünen-Politikerin am Sonntagabend im ZDF-«heute journal».
Zudem sei zwischen den USA und der vorherigen Bundesregierung mitbesprochen worden, «dass bei weiteren Eskalationen diese Pipeline so nicht weiter ans Netz gehen könnte». Baerbock nimmt am Montag erstmals als Aussenministerin an einem EU-Treffen mit den Amtskollegen teil.
Erinnerungen an Krim-Annexion
Konkreter Hintergrund der Diskussionen sind Erkenntnisse der Nato, wonach Russland in Gebieten unweit der Ukraine derzeit zwischen 75.000 und 100.000 Soldaten zusammengezogen hat. Die Entwicklungen wecken Erinnerungen an 2014. Damals hatte sich Russland nach dem Umsturz in der Ukraine die Halbinsel Krim einverleibt und mit der noch immer andauernden Unterstützung von Separatisten in der Ostukraine begonnen.
Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste stehen hinter den russischen Truppenbewegungen vor allem Forderungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin an die Nato. Demnach will dieser das Militärbündnis über den Aufbau einer Drohkulisse dazu bewegen, eine Aufnahme der Ukraine auszuschliessen. Zudem will er den Angaben zufolge, dass die Nato von einer Stationierung von Truppen und Ausrüstung in der Ukraine absieht, jede militärische Unterstützung einstellt und keine Übungen mehr in der Nähe zu Russland durchführt.
Russland spricht von Dämonisierung
Russland weist den Vorwurf von Angriffsplanungen gegen die Ukraine seit Wochen zurück. Moskau bedrohe niemanden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in einem am Sonntag im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Interview. «Das Anheizen der gespannten Nachrichtenlage und so weiter, das wird einmal mehr mit dem Ziel einer weiteren Dämonisierung Russlands gemacht», sagte er. Russland solle so als «Aggressor» dargestellt werden.
Zugleich hat Moskau jüngst mehrfach bestätigt, Sicherheitsgarantien zu fordern. Zuletzt hiess es beispielsweise, eine Einbindung der Ukraine in die Nato stelle ein «unverantwortliches Verhalten» dar und berge «grosse militärische Risiken für alle Beteiligten, bis hin zu einem grossen Konflikt in Europa».