Ukraine rechnet mit Sturm auf Kiew

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Russland,

Im Krieg Russlands gegen die Ukraine erwartet die ukrainische Führung in der Nacht zu Samstag einen entscheidenden Angriff auf die Hauptstadt Kiew.

dpatopbilder - Menschen schlafen in einer U-Bahn-Station in Kiew, die als Luftschutzbunker genutzt wird. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa
dpatopbilder - Menschen schlafen in einer U-Bahn-Station in Kiew, die als Luftschutzbunker genutzt wird. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Emilio Morenatti

Das Wichtigste in Kürze

  • Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bevölkerung zur entschlossenen Verteidigung der Millionenstadt auf.

«Das Schicksal des Landes entscheidet sich gerade jetzt», sagte er in einer Videobotschaft auf seinem Telegram-Kanal.

«Der Feind wird alle seine Kräfte einsetzen, um unseren Widerstand zu brechen», sagte Selenskyj. «In dieser Nacht setzen sie zum Sturm auf Kiew an.» Er rief alle Ukrainer auf, «den Feind wo auch immer möglich aufzuhalten». Die Bevölkerung sollte alle Markierungen entfernen, die Saboteure an Strassen und Häusern anbringen. «Verbrennt die feindliche Militärtechnik mit allem, was zur Verfügung steht!»

Am Freitag waren russische Truppen an den Rand der Hauptstadt vorgedrungen. Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba berichtete von «schrecklichen russischen Raketenangriffen» auf Kiew. Im Süden des Landes rückten die russischen Truppen in Richtung der Hafenstadt Odessa vor. Auch gab es Kämpfe um die Industriestadt Mariupol.

Die ukrainischen Streitkräfte nahmen für sich in Anspruch, ein russisches Militärtransportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 abgeschossen zu haben. An Bord seien Fallschirmjäger gewesen, schrieb der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj auf Twitter. Als Absturzstelle nannte er die Stadt Wassylkiw südlich von Kiew. Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Das ukrainische Luftwaffenkommando teilte mit, die russische Armee versuche in Wassylkiw Luftlandetruppen abzusetzen. Es gebe schwere Kämpfe.

Um Druck auf Russland auszuüben, traten in der Nacht auf Samstag die neuen EU-Sanktionen in Kraft. Das geht aus Rechtsakten hervor, die im EU-Amtsblatt veröffentlichten wurden. Die Strafmassnahmen zielen darauf ab, Russland und seiner Wirtschaft erheblichen Schaden zuzufügen. Dafür werden zum Beispiel die Refinanzierungsmöglichkeiten des Staates und von ausgewählten privaten Banken und Unternehmen eingeschränkt. Zudem erlässt die EU Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Güter, die insbesondere Unternehmen aus dem Verkehrs- und Energiesektor treffen sollen.

Darüber hinaus setzt die EU auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Aussenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionsliste. Möglicherweise in der EU vorhandene Vermögen der beiden Politiker können so eingefroren werden. Unklar blieb zunächst allerdings, ob Putin und Lawrow überhaupt Vermögen in der EU haben, das eingefroren werden könnte. Wenn nicht, wären die Massnahmen allein symbolischer Natur. Auch die USA und Grossbritannien verhängten Sanktionen gegen Putin und Lawrow.

Im UN-Sicherheitsrat in New York gelang es Russland mit seinem Vetorecht, eine Verurteilung seines Vorgehens abzuwenden. China jedoch enthielt sich zusammen mit zwei weiteren Ländern. 11 Staaten des 15-köpfigen Rates stimmten für den Text. Westliche Diplomaten werteten dies als Erfolg bei ihrem Versuch, Russland diplomatisch zu isolieren und einen Keil zwischen Moskau und Peking zu treiben.

Zugleich standen mögliche Gespräche zwischen Moskau und Kiew im Raum. Putin nahm wiederholte Angebote Selenskyjs zu Verhandlungen an. Nach Angaben von Selenskyjs Sprecher vom Freitagabend gab es Kontakte, um Zeit und Ort festzulegen. Dagegen teilte das Aussenministerium in Moskau mit, die Ukrainer hätten diese Frage auf Samstag verschoben.

«Das wird vor allem ein detailliertes Gespräch über Frieden und eine Einstellung des Feuers sein», zitierte die Agentur Unian Selenskyjs Stabschef Michajlo Podoljak. Den Angaben nach fügte er hinzu: «Ein neutraler Status mit einem klaren Paket von Sicherheitsgarantien ist eine Option, die möglicherweise auf dem Tisch liegt.»

Russland hatte nach monatelangem Truppenaufmarsch an den Grenzen zur Ukraine am Donnerstag eine Offensive gestartet. Seit Beginn der grossangelegten Invasion wurden auf ukrainischer Seite nach offiziellen Angaben mehr als 130 Soldaten getötet. Der Einmarsch löste weltweit Wut und Bestürzung aus.

Aus der Ukraine sind innerhalb von 48 Stunden mehr als 50 000 Menschen über die Grenzen ins Ausland geflüchtet. Das berichtete der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, am Freitag auf Twitter. Zuvor hatten bereits die UN von Hunderttausenden auf der Flucht gesprochen.

Rund um den Globus gingen Demonstranten aus Solidarität auf die Strasse. Gebäude und Monumente wurden in den blau-gelben Farben der ukrainischen Flagge beleuchtet. In Deutschland sind für das Wochenende Kundgebungen in mehreren Städten angekündigt, unter anderem in Berlin. Auch in Russland gab es zahlreiche Proteste. Dabei wurden Bürgerrechtlern zufolge mehr als 1700 Menschen festgenommen.

Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten bekräftigten bei einem Sondergipfel nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre feste Entschlossenheit zur kollektiven Verteidigung der Alliierten. «Unser Bekenntnis zu Artikel 5 des Vertrags von Washington ist unerschütterlich. Wir stehen zum Schutz und zur Verteidigung aller Verbündeten zusammen», hiess es am Freitag in der gemeinsamen Abschlusserklärung eines Nato-Sondergipfels. «Wir werden tun, was notwendig ist, um jeden Verbündeten und jedes Stück Nato-Gebiet zu beschützen und zu verteidigen», sagte Generalsekretär Stoltenberg.

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