Virus-Folgen für die Wirtschaft werden deutlicher
Das Wichtigste in Kürze
- Börsenkurse sacken ab, Messen fallen aus, Flüge werden gestrichen: Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus belastet zunehmend die Wirtschaft.
Der Genfer Autosalon in der kommenden Woche fällt aus, ebenso die weltgrösste Reisemesse ITB in Berlin. Am Ende einer historisch schlechten Handelswoche stiessen Investoren auf breiter Front Aktien ab, die Indizes Dax und Dow Jones gaben mehrere Prozent ab. Mehrere Fluggesellschaften strichen Flüge, vor allem nach Norditalien.
Die British-Airways-Mutter IAG wagt wegen der Ausbreitung des neuen Coronavirus keine Gewinnprognose für 2020. Easyjet legt ein Sparprogramm an und stellt ähnlich wie die Lufthansa Einstellungen und Beförderungen zurück.
Zahlreiche Handelsketten sprachen in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur von erhöhten Verkaufszahlen bei Produkten wie Konserven oder Desinfektionsmitteln. Kurzfristig sei es in einigen Läden dadurch auch zu Engpässen gekommen. Der Handelsverband Deutschland betonte, grundsätzlich seien die Lieferstrukturen im Handel effizient und gut vorbereitet, sodass die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.
«Die exportorientierte deutsche Wirtschaft wird durch die Unterbrechung von internationalen Lieferketten besonders schlimm getroffen», sagte Stefan Schneider, Chefvolkswirt der Deutschen Bank für Deutschland. Die Folgen des Coronavirus könnten in Deutschland zu einer Rezession führen. Das heisst, dass die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Vierteljahreszeiträumen nachlässt.
Das Virus trifft die Wirtschaft ohnehin in der Flaute. Internationale Handelskonflikte und die Abkühlung der Weltwirtschaft bremsen, auch der bisherige Motor hat nachgelassen, der Konsum in Deutschland.
Die Deutsche Bundesbank sieht im Coronavirus kurzfristig ein zusätzliches Risiko. «Nach den derzeitigen Informationen erwarte ich, dass dieses Risiko sich zum Teil auch materialisieren dürfte», sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in Frankfurt. Wie gross dieser Effekt sein könnte, lasse sich derzeit aber kaum seriös abschätzen. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau forderte nun vor allem die Möglichkeit, die Kurzarbeit rasch und unbürokratisch zu nutzen.
Die Messe Berlin gab am Freitagabend bekannt, dass die Reisemesse ITB in der nächsten Woche angesichts des neuartigen Corona-Virus abgesagt wird. Nach Angaben der Messegesellschaft hat das zuständige Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf Auflagen stark erhöht. «Unter anderem ordnet die Behörde an: Jeder Messeteilnehmer muss der Messe Berlin belegen, nicht aus den definierten Risikogebieten zu stammen oder Kontakt zu einer Person aus den Risikogebieten gehabt zu haben», teilte die Messe Berlin mit. «Die Auflagen insgesamt sind von der Messe Berlin nicht umsetzbar.» Die fünftägige Internationale Tourismusbörse (ITB) mit rund 10 000 Ausstellern sollte eigentlich am Mittwoch beginnen. Wegen des Virus hatten die Veranstalter schon die Erwartungen heruntergeschraubt und rechneten mit weniger Besuchern als im Vorjahr mit 160 000. Mehrere Aussteller haben abgesagt. Die für Mai geplante ITB China in Shanghai war schon vergangene Woche abgesagt worden.
Sollte es zu Absagen grösserer Veranstaltungen kommen, träfe das auch Hotels, Restaurants und Caterer. Der Branchenverband Dehoga bekräftigte am Freitag, dass sich für die Branche bislang nur «eine punktuelle Betroffenheit» feststellen lasse. «Vereinzelt berichten Hotels von Stornierungen chinesischer Reisender», hiess es in einer Stellungnahme.
Die Schweiz verbot Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen. Diesem Verbot fällt auch der Genfer Autosalon zum Opfer, der am Montag beginnen sollte und zu dem 600 000 Besucher erwartet wurden. Zuvor war schon die erst für April geplante Genfer Uhrenmesse abgesagt worden. Für die Autobranche ist die Absage des Autosalons ein weiterer Schlag nach der Verschiebung der eigentlich für April geplanten grossen chinesischen Automesse in Peking.
An den Börsen waren am Freitag Aktien vermeintlicher Profiteure der Viruserkrankung gefragt, darunter der Atemschutzmaskenhersteller Drägerwerk und der Anbieter von Videokonferenz-Software Teamviewer. Unterdessen sinkt der Ölpreis weiter. Gegen Mittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 51,13 US-Dollar. Das waren 1,05 Dollar weniger als am Vortag. Auf Wochensicht steuert der Markt auf die stärksten Verluste seit 2011 zu.