Er ist das wichtigste Produkt des grössten deutschen Industriekonzerns VW. Doch die Fertigungsprobleme beim neuen Golf hören nicht auf. Der Betriebsrat sieht schwere Versäumnisse des Vorstands. Brechen jetzt alte Konflikte wieder auf?
Produktion des Golf 8: Die weiter andauernden Probleme beim neuen Golf führen zu heftigem Unmut im VW-Betriebsrat und in Teilen der Belegschaft. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Produktion des Golf 8: Die weiter andauernden Probleme beim neuen Golf führen zu heftigem Unmut im VW-Betriebsrat und in Teilen der Belegschaft. Foto: Julian Stratenschulte/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • 100.000 Stück geplant, 8400 Stück gebaut: Die nicht abreissenden Produktionsprobleme beim neuen Golf 8 bringen VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh gegen den Vorstand auf.
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Auch in Teilen der Belegschaft wächst der Unmut, weil die Fertigung des wichtigsten Konzernmodells im vergangenen Jahr weit hinter den Plänen zurückblieb. Hauptgrund waren Software- und Elektronik-Störungen, erklärte die Mitarbeitervertretung am Donnerstag in der Firmenzeitung «Mitbestimmen». Zusätzlich verschärft wird die Lage dadurch, dass sich auch die IT-Ausstattung des neuen Elektroautos ID.3 verzögert.

Beim Aushandeln des Sparprogramms «Zukunftspakt» hatte es heftigen Streit zwischen Betriebsrat und Management gegeben, der inzwischen beigelegt wurde. Osterloh betonte jüngst, die Beschäftigten trügen geforderte Produktivitätssteigerungen mit - dies sei auch beim Golf eine «Kraftanstrengung» gewesen. In China, wo die Coronavirus-Krise VW zu Unterbrechungen zwang, entspannte sich die Lage wieder.

Der Konzern hatte den Golf 8 mit viel Digitaltechnik im vergangenen Jahr vorgestellt. Es war von einer «flachen Anlaufkurve» die Rede - in den Griff bekommt man die Schwierigkeiten offenbar noch nicht. Osterloh sieht die Verantwortung vor allem in der Führung: «Hier wollten überehrgeizige Vorstände zu schnell zu viel Technik in ein Fahrzeug stopfen und sind damit gescheitert.» Das Management liess erklären: «Dass wir beim Anlauf mit Herausforderungen zu kämpfen haben, war bekannt.» Die Produktion werde schrittweise hochgefahren.

Laut Betriebsratschef ist der Start der 8er Auflage missraten. Die Zahlen seien ein Trauerspiel. Osterloh sagte, er habe den Eindruck: «Einige Vorgesetzte machen einen enormen Druck auf uns Beschäftigte. Es ist doch klar, dass so ein Verhalten krank machen kann.»

Derlei Worte sind für VW-Verhältnisse, wo Betriebsrat und Leitung im Sinne eines «Co-Managements» oft einvernehmlich handeln, ungewöhnlich scharf. Rund um den «Zukunftspakt» gab es zwar vor einigen Jahren Scharmützel zwischen dem damals noch neuen Konzernchef Herbert Diess und Osterloh, die dann aber in einer Art Burgfrieden endeten. Mit Blick auf die «soziale Kompetenz» einiger Manager meinte Osterloh nun: «Viele haben das, manche aber auch nicht. Wer Druck von oben nach unten einfach weitergibt, dem fehlt diese Kompetenz.»

Man sei «entsetzt, wie nachlässig und schwach der Vorstand weit vor dem Anlauf das ganze Projekt aufgestellt hat». Erwartet werde jetzt «ein klares Wort von ganz oben». «Die Transformation ist eine der am schwierigsten zu bewältigenden Aufgaben, der sich die Autoindustrie stellen muss», hiess es aus dem Konzern. Mit dem Golf 8 und dem Ausbau der E-Palette seien zwei riesige Projekte zur selben Zeit zu stemmen.

Berichte über eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit bestimmter Elektronik- und Software-Komponenten hatte es bereits vor knapp einem Jahr gegeben. Das Unverständnis bei Händlern und Kunden wachse, so Osterloh. So könnten stark nachgefragte Antriebe oder Farben nach wie vor nicht geliefert werden. «Wie kann es sein, dass der Golf 8 seit Juli produziert wird und immer noch nicht mit einem Basismotor im Angebot ist?» Teurere Modelle wie GTD, GTI und R blieben vorerst aus.

Auch beim zentralen Projekt des laufenden Jahres, dem Marktstart des E-Autos ID.3, gibt es Verzögerungen. Der Wagen soll - zusammen mit dem neuen Elektro-SUV ID.4 - noch 2020 starten. Beide begründen die elektrische ID-Familie, in die Milliarden-Investitionen fliessen. Offiziell erklärte Volkswagen mehrfach, man sei beim ID.3 im Plan und werde im Sommer so weit sein.

Beobachter berichten allerdings auch von vielen eigentlich fertigen Autos, die zwischengelagert und erst später mit dem kompletten Software-Umfang bespielt werden sollen. VW erklärte nun, die zuerst installierte Version der Software solle beim ID.3 nachträglich in regelmässigen Abständen aktualisiert werden.

Die Probleme beim Golf könnten nach Einschätzung Osterlohs gar neue Risiken für Jobs heraufbeschwören. «Wir müssen jetzt alle zusammen dafür sorgen, dass der Golf 8 endlich auf Kammlinie kommt», sagte er. «Ich fordere aber schon jetzt, dass dieser Anlauf noch einmal genau untersucht wird und dass die Verantwortlichen im Vorstand für die Software-Fehler und die Verzögerungen benannt werden. Wer so mit dem Golf spielt, spielt auch mit den Arbeitsplätzen der Beschäftigten.»

Im wichtigsten Automarkt China, wo die Coronavirus-Krise auch VW getroffen hatte, wird die Situation derweil etwas übersichtlicher. Bis auf 2 der insgesamt 33 Werke im Land seien wieder alle Fabriken am Netz, sagte ein China-Manager des Autobauers. In den kommenden Tagen wechsle man vielerorts vom Ein- in den Zwei-Schicht-Betrieb.

«Wenn sich das so fortsetzt, sind wir vorsichtig optimistisch, dass wir im Juni oder Juli wieder auf Vorjahresniveau sind», hiess es. Die konzerninternen Lieferketten habe man bisher aufrechterhalten können. Auch Zulieferungen aus China in andere Weltregionen seien nicht abgerissen. Es gebe nur «ein kritisches Bauteil», bei dem an den europäischen Standorten aber keine Sorge vor Mangel bestehen müsse.

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